Susan Price
hielt. Jetzt kehrte die Walküre zurück und legte behutsam die Köpfe, welche Hunting aus der Tür geworfen hatte, zu den entsprechenden Leichen. Sie richtete sich auf und sagte: »Wir werden das Haus in Brand stecken und alle auf ihren Weg schicken. Die anderen lassen wir im Freien als Futter für die Wölfe und Raben.« Als Elfling sich nicht rührte, beugte sie sich hinab und zerrte eine Decke unter einem Leichnam hervor. »Komm!«, sagte sie. »Wickle das Mädchen in die Decke und komm!«
Sie standen auf dem Hof, neben Morcars Wagen, und blickten zurück auf das brennende Haus. Das Stroh loderte mit hellen Flammen. Das Feuer griff mit lautem Getöse auf die Wände über. Das Vieh, das vor Angst weggelaufen war, kam jetzt zurück und blökte. Der Rauch stieg kerzengerade nach oben und bildete für die Toten im Haus eine gerade Straße in die Anderswelt. Ebba schien sich beruhigt zu haben. Sie hielt selbst die Decke und betrachtete das Schauspiel mit ernster Miene. Elfling schwieg. Seine Züge waren hart. Immer noch kämpften in ihm Trauer und Wut.
»Willst du dich rächen?«, fragte die Walküre Elfling.
Er nickte.
»Dann musst du mit mir kommen«, erklärte sie.
Man hörte Hufschlag, und ein weißes Ross erschien, ein Ross, so weiß wie Salz, abgesehen von den Ohren, welche rot waren. Es kam aus dem Nichts. Es war zwischen der Brise und dem Wind hergetrabt und trat an die Seite der Walküre. Sie sagte: »Komm mit mir. Ich lehre dich, so zu kämpfen, wie das Volk deiner Mutter kämpft. Danach benötigst du meine Hilfe nicht mehr.« Sie wandte sich zum Ross und sprang mit Hilfe des Speers auf seinen Rücken. Dann streckte sie Elfling die Hand entgegen. »Komm, schwing dich hinter mich.«
Er wollte ihr gehorchen, stieß aber mit Ebba zusammen, die sich ihm den Weg stellte. Er blickte hinab in Ebbas spitzes, schmales Gesichtchen, das mit riesigen angstvollen Augen zu ihm heraufstarrte. Ebba musste nichts sagen. Das arme kleine Ding hatte Todesangst, hier allein zurückgelassen zu werden. Sie machte keinen Versuch, Haltung zu bewahren, und die Angst floss aus ihr heraus, aus ihren Augen, aus ihrem angespannten Gesicht, so wie sie dastand. Elfling schämte sich für sie, und sie tat ihm so leid, dass es schmerzte. Er sagte: »Das Mädchen –«
»Bleibt hier!«, unterbrach ihn die Walküre.
Ebba schlang die Arme um Elfling und hängte sich an ihn. Sie war verzweifelt und wollte unter keinen Umständen allein bei dem brennenden Haus, den Leichen und den Wölfen zurückbleiben, die fraglos bald kommen und sie fressen würden. Elfling tätschelte sie auf den Rücken. Er hatte das Gefühl, als hätte jemand ihm einen seiner eigenen drei Fuß langen Pfeile durchs Herz geschossen.
»Wenn du Rache willst, musst du mit mir kommen«, sagte die Walküre. »Wenn du mit der flennenden Ebba hierbleibst, wird jegliche Chance auf Rache vertan sein. Entscheide dich! Schnell!«
Es war bitter und eiskalt, aber ihm war klar, dass die Walküre die Wahrheit sprach. Ebbas Angst, Ebbas Schmerz waren nicht wichtig. Ihre Schmerzen waren geringer als die, welche die Menschen gefühlt hatten, die an diesem Ort gestorben waren und jetzt nichts waren. Die Pferde, die Schafe, das Geflügel – alle litten, und sie hatten weniger Verstand als Ebba und waren in ihrer Angst völlig kopflos. Sollte er jede Henne und jedes Schaf lieben? Und was war mit den Mäusen, die im Strohdach verkohlten?
Es war, als würden er und die Walküre eine gemeinsame Sprache haben, welche Ebba nicht kannte, und die Walküre hatte darin mit ihm gesprochen. Schließlich war sie vom Volk seiner Mutter. Er schob Ebba beiseite und hob seinen Bogen auf. Ebba zerrte an seinem Arm. In einem Anflug von Wut stieß er sie so heftig von sich, dass sie zu Boden fiel. Im Dreck liegend sah sie, wie er seinen Fuß auf den der Walküre stellte, deren Hand ergriff und sich hinter ihr aufs weiße Ross schwang.
Zum ersten Mal richtete die Walküre das Wort an Ebba. »Eostre ist mit dir«, sagte sie.
Dann wendete sie ihr Reittier. Noch in der Wendung verschwanden die Walküre und Elfling mitsamt dem Ross.
Hinter Ebba knisterte das brennende Haus, und sie spürte die Hitze. Das Vieh schrie und blökte. Und die Raben, Wodens Vögel, ließen sich in den kahlen Bäumen nieder.
THANE ALNOTH
Alle Gebäude standen lichterloh in Flammen. Es knisterte und krachte. Rauch stieg empor und stank nach verbranntem Fleisch. Die Raben krächzten in den Bäumen. Ebba spürte die Hitze des
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