Susannah 4 - Auch Geister lieben süße Rache
ich und ließ mich auf einen Stuhl sinken, der neben dem Faxgerät stand.
»Das seh ich«, sagte CeeCee. Sie nahm ihren Reporterjob sehr ernst. Die langen, spaghettiglatten weißen Haare hatte sie sich mithilfe eines 2B-Bleistifts hochgesteckt. Auf einer ihrer Wangen prangte ein Druckertoner-Fleck. »Wieso bist du nicht im Hotel?«
»Tag der geistigen Gesundheit«, sagte ich. »Wegen der Leiche, die gestern in meinem Garten gefunden wurde.«
CeeCee ließ einen Papierstapel fallen.
»Oh mein Gott!«, kreischte sie. »Das war bei euch ? Ich hab ja gehört, dass ein Gerichtsmediziner in die Hügel bestellt wurde, aber hier hieß es überall, da wird wohl eine alte indianische Grabstätte entdeckt worden sein oder so.«
»Nein, nein«, sagte ich. »Außer, der alte Indianer hätte Sporen getragen.«
»Sporen?« CeeCee griff sich einen Notizblock, der auf dem Kopierer lag, und zog den Bleistift aus ihren Haaren, sodass sie ihr sofort auf die Schultern fielen. Als Albino sorgt CeeCee immer dafür, dass der Großteil ihrer Haut vor der Sonne geschützt ist, selbst wenn sie sich in geschlossenen Räumen aufhält. Auch heute trug sie trotz der Hitze draußen ein Paar Jeans und einen braunen, hochgeschlossenen Pullover.
Andererseits lief die Klimaanlage hier auch auf Höchsttouren - es war eisig kalt.
»Na dann erzähl«, sagte CeeCee und lehnte sich an den Tisch, auf dem das Faxgerät stand.
Also erzählte ich. Und zwar alles, angefangen von den Briefen, die Hatschi gefunden hatte, über meinen Ausflug zu Clive Clemmings’ Büro bis hin zu dessen vorzeitigem Ableben am Tag zuvor. Ich erzählte von dem alten Buch seines Großvaters und von Jesse und der historischen Bedeutung, die unser Haus in der Geschichte seiner Ermordung gespielt hatte. Von Maria und Diego und ihren unzähligen Kindern, davon, dass Jesses Porträt verschwunden war, und davon, dass ich vermutete, das in unserem Garten aufgetauchte Skelett könnte von Jesse stammen.
Als ich fertig war, hob CeeCee den Blick vom Notizblock. »Meine Güte, Suze. Das klingt ja wie der Blockbuster der Woche.«
»Auf Kanal Lebensnah«, fügte ich hinzu.
CeeCee deutete mit dem Bleistift auf mich. »Tiffani-Amber Thiessen könnte die Rolle der Maria übernehmen!«
»Und? Bringst du die Story raus?«, fragte ich.
»Na logisch«, antwortete CeeCee. »Die hat alles, was dazugehört. Liebe, einen Mord, Intrigen, örtlichen Bezug … Blöd ist nur, dass alle Beteiligten schon seit über hundert Jahren tot sind. Aber wenn ich den Gerichtsmediziner zu einer Bestätigung verleiten kann, dass euer Skelett tatsächlich zu einem etwa zwanzigjährigen Mann gehört hat … Hast du eine Ahnung, wie er ermordet worden sein könnte?«
Ich dachte an Hatschi und seine Schaufel. »Na ja. Wenn er erschossen wurde … also in den Kopf geschossen … Dann wird der Gerichtsmediziner das wahrscheinlich
nur schwer feststellen können, nachdem Brad den Schädel mit seiner Schaufel quasi zertrümmert hat.«
CeeCee blickte mich an. »Möchtest du vielleicht meinen Pulli haben?«
Ich schüttelte verwirrt den Kopf. »Wieso?«
»Weil du zitterst.«
Das stimmte, aber es lag nicht an der Kälte.
»Nein, schon gut. Hör zu, CeeCee, es ist wirklich wichtig, dass du es schaffst, die Story in die Zeitung zu bringen. Und zwar bald. Am besten morgen.«
»Ja, ich weiß«, sagte sie, diesmal ohne von ihrem Notizblock hochzuschauen. »Und vermutlich würde sie sich besonders gut neben Dr. Clemmings’ Todesanzeige machen, oder? Von wegen Bezug zum Projekt, an dem er zuletzt gearbeitet hat und so.«
»Super«, sagte ich. »Dann kommt der Artikel morgen raus? Was meinst du?«
CeeCee zuckte mit den Schultern. »Die lassen mich die Story sicher nicht bringen, bevor nicht der Bericht des Gerichtsmediziners vorliegt. Und das könnte Wochen dauern.«
Wochen? Ich hatte aber nicht so lange Zeit. Und obwohl CeeCee keine Ahnung davon hatte - auch sie hatte nicht so lange Zeit.
Mittlerweile zitterte ich unkontrollierbar. Denn mir war plötzlich klar geworden, was ich soeben getan hatte: Ich hatte CeeCee genauso in Lebensgefahr gebracht wie kürzlich Clive Clemmings. Clemmings war in Sicherheit gewesen, solange er das, was ich ihm über Jesse
erzählt hatte, nicht ins Diktiergerät gesprochen hatte. Kaum hatte Maria das mitgekriegt, hatte der arme Mann plötzlich eine tödliche Herzattacke erlitten. Hatte ich CeeCee gerade zu einem ähnlich grausamen Tod verurteilt? Zwar hielt Maria sich bestimmt nicht so oft
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