Susannah Bd.3 - Auch Engel sind gefährlich
seinen Lebzeiten hatte es das wohl eher nicht gegeben. Aber heutigen Mädchen passierte so was ständig. Na ja, mir nicht, aber den meisten anderen Mädchen schon.
Ich wollte zudem einwenden, dass Michaels Besuch unsere wundervolle Zweisamkeit zerstören würde, doch da bimmelte schon die Türglocke und Schweinchen Schlau rief aus dem Haus: »Ich geh schon!«
»Oh Mann.« Ich verbarg das Gesicht in den Händen.
»Susannah?«, sagte Jesse besorgt. »Alles in Ordnung mit dir?«
Ich schüttelte mich. Was hatte ich mir bloß dabei gedacht? Michael Meducci war gar nicht hergekommen, um mich zu einem Date einzuladen. Wäre das seine Absicht gewesen, hätte er wie jeder normale Mensch vorher angerufen. Nein, er war aus einem anderen Grund hier. Es gab keinerlei Grund, sich Sorgen zu machen. Nicht im Geringsten.
»Ja, alles bestens«, sagte ich und stand langsam auf.
»So hörst du dich aber nicht an«, meinte Jesse.
»Mir geht’s gut.« Durch das offene Fenster, das normalerweise Spike benutzte, krabbelte ich zurück in mein Zimmer.
Ich hatte mich fast zur Gänze durchgeschoben, da ertönte das unweigerliche Hämmern an meine Zimmertür. »Herein«, rief ich von meinem ungewöhnlichen Liegeplatz aus und ließ mich aufs Fensterbrett fallen. Schweinchen Schlau öffnete die Tür und streckte den Kopf herein.
»Hey, Suze«, flüsterte er. »Da ist ein Junge, der dich sprechen möchte. Ich glaube, das ist der, von dem du beim Abendessen erzählt hast. Du weißt schon, der aus dem Einkaufszentrum.«
»Ja, ich weiß«, sagte ich in Richtung Decke.
»Und, was soll ich jetzt machen?«, drängelte Schweinchen Schlau. »Deine Mom hat mich hochgeschickt, damit ich dir Bescheid sage. Soll ich sagen, du wärst unter der Dusche?« Er schlug einen trockenen Ton an. »Das lassen Mädchen immer von ihren Brüdern ausrichten, wenn ich oder meine Freunde bei ihnen anrufen.«
Ich wandte den Kopf und sah Schweinchen Schlau an. Hätte ich mir aus der Schar meiner Stiefbrüder einen aussuchen müssen, so als einzigen Begleiter auf einer einsamen Insel oder so, ich hätte mich definitiv für Schweinchen Schlau entschieden. Er hatte rote Haare und das Gesicht voller Sommersprossen und war noch nicht ganz in seine riesigen Ohren hineingewachsen. Aber obwohl er erst zwölf war, hatte er von all meinen Stiefbrüdern mit Abstand den meisten Grips.
Der Gedanke, dass es irgendwelche Mädchen gab, die sich Ausreden ausdachten, um ihn abzuwimmeln, brachte mein Blut zum Kochen.
Und sofort meldete sich auch mein schlechtes Gewissen. Natürlich würde ich Schweinchen Schlau nicht mit einer Ausrede zu Michael Meducci schicken. Der war vielleicht ein Volltrottel und vielleicht hatte er im Einkaufszentrum nicht gerade viel Feingefühl an den Tag gelegt, aber er war immerhin ein Mensch.
Glaubte ich zumindest.
»Sag ihm, ich komme gleich runter«, sagte ich.
Schweinchen Schlau wirkte sehr erleichtert. Als er grinste, gab er den Blick auf seine blitzende Zahnspange frei. »Okay«, sagte er und verschwand.
Langsam rappelte ich mich auf und schlurfte zu meinem Frisierspiegel. Kalifornien hatte sowohl meinem Teint als auch meinen Haaren deutlich gutgetan: Meine Gesichtshaut - dank Sonnenschutzfaktor 15 nur leicht gebräunt - sah auch ohne Make-up ganz okay aus, und ich hatte meine ewigen Versuche, mein langes brünettes Haar glatt zu ziehen, mittlerweile aufgegeben, sodass sich die Locken bis über meine Schultern kringelten. Einmal kurz mit dem Lipgloss über die Lippen und schon war ich fertig und aus dem Zimmer. Ich machte mir nicht die Mühe, aus Cargo-Shorts und T-Shirt zu schlüpfen, um was anderes anzuziehen. Ich hatte ohnehin nicht vor, auf Michael Meducci Eindruck zu machen.
Er wartete im Wohnzimmer auf mich, die Hände in die Hosentaschen gesteckt und den Blick auf die vielen Schulfotos von mir und meinen Stiefbrüdern geheftet, die gerahmt an der Wand hingen. Mein Stiefvater saß in einem Sessel, in dem er sonst nie saß, und redete mit Michael. Als ich reinkam, verstummte er und stand auf.
»Nun«, sagte Andy nach ein paar Schweigesekunden. »Dann will ich euch beide mal allein lassen.« Ich sah ihm an, dass er am liebsten dageblieben wäre, aber er ging. Echt seltsam. Normalerweise nahm er an meinem
Leben nur ziemlich peripher Anteil - außer wenn mein Leben zufällig eine Begegnung mit der Polizei beinhaltete.
»Suze«, sagte Michael, nachdem Andy das Zimmer verlassen hatte.
Ich lächelte ihm aufmunternd zu, denn er sah aus, als
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