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Susanne Barden 01 Hinaus ins Leben

Susanne Barden 01 Hinaus ins Leben

Titel: Susanne Barden 01 Hinaus ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen D. Boylston
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man schon auf der ersten Seite ein Schild mit der Aufschrift >Tugend< umhängen müßte. Noch niemals bin ich einem Menschen begegnet, der so selbstgerecht ist.«
    »Du warst wunderbar, Kit«, sagte Susy. »Wie machst du das bloß? Sie hätte eigentlich vollkommen zerschmettert sein müssen.«
    Kit grinste. »Das ist alte englische Überlieferung. Ich bin zwar in Kanada geboren, aber meine Eltern stammen beide aus England. Übrigens habe ich mein Pulver ganz umsonst verschossen. Es ging über ihren Horizont.«
    Während sie die Außentreppe von Haus Brewster hinaufstiegen, kamen Susy wieder die dunklen Andeutungen der Lernschwestern vom vergangenen Tage und die wilden Gerüchte über Fräulein Cameron in den Sinn. Auch Kit verlor plötzlich ihre Munterkeit. Kleinlaut öffnete sie die Haustür. Die drei Mädchen traten ein und gingen schweigend die Treppe zum Klassenzimmer hinunter.
    Sie gelangten in einen Vorraum mit Ziegelwänden. Der Treppe gegenüber befand sich ein Ausguß an der Wand. Auf der linken Seite waren zwei Türen. Eine führte in ein Laboratorium, die andere in ein kleines Wäschezimmer. Auf der rechten Seite sah man durch eine offenstehende Tür in einen Raum, in dem viele Reihen von Stühlen mit steifen Lehnen und einseitigen Armstützen standen. Der Teil des Raumes, zu dem sie gerichtet waren, war von draußen nicht zu sehen. »Wir müssen natürlich die ersten sein«, flüsterte Connie beklommen.
    Susy schwieg. Warum schlug ihr Herz bloß so schnell? Diese verflixten Schwestern mit ihren geheimnisvollen Andeutungen!
    Nacheinander betraten die Mädchen das Klassenzimmer. Niemand war darin. Die Stuhlreihen standen vor einem niedrigen Podium, auf dem sich ein kleiner Tisch, ein Stuhl und ein Bett befanden. Auf der anderen Seite des Raumes standen noch mehr Betten an der Wand. Aber es war das Bett auf dem Podium, das die Aufmerksamkeit der Mädchen erregte, denn darin lag, leblos und lächerlich anzusehen, eine große Gummipuppe, die bis zum Kinn zugedeckt war. Ihre gemalten Augen starrten schielend zur Decke.
    Die Mädchen betrachteten sie verwundert. Plötzlich begann Kit zu kichern. Dann brachen alle drei in lautes Gelächter aus, das sie jedoch schnell wieder unterdrückten.
    »Es muß wohl Fräulein Cameron sein, die sich vor dem Unterricht noch ein wenig ausruht«, meinte Connie.
    »Die Unglückliche schielt«, bemerkte Susy mitleidig.
    »Nehmt euch in acht«, sagte Kit warnend. »Vielleicht nimmt sie leicht übel. Ich finde sie ein wenig unheimlich.«
    Draußen wurden Schritte hörbar. Rasch setzten sich die Mädchen auf Stühle in der ersten Reihe.
    »Das war falsch«, flüsterte Kit. »Die erste Reihe ist kein Platz für mich.«
    »Schsch!«
    Sie sahen zur Tür. Luise Wilmont trat ein.
    »Napoleon vor der Schlacht«, murmelte Kit.
    Hinter Luise kamen schwatzend und lachend die übrigen Mädchen der Klasse. Luise stieg auf das Podium, musterte die Gummipuppe mit kritischen Blicken und nickte beifällig.
    »Nicht Napoleon, sondern Cäsars Weib«, flüsterte Susy.
    »Ist alles in Ordnung, Fräulein Wilmont?« fragte Kit.
    »Sehr interessant«, sagte Luise, ohne aufzusehen. »Aber es sollte
    eigentlich ...«
    »He, Willi, gehen Sie lieber von da runter!« rief Elfe Holton kichernd.
    Die anderen Mädchen lachten und setzten sich auf die Stühle. Von nun an blieb der Spitzname »Willi« an Luise Wilmont hängen.
    Plötzlich erschien ganz außer Atem und mit großen erschrockenen Kinderaugen das blonde dicke Mädchen an der Tür, das Connie nach dem Golfplatz gefragt hatte. »O Gott, sie kommt!«
    Augenblicklich trat Totenstille ein. Nicht eine einzige Schürze raschelte. Alle saßen wie erstarrt da und sahen auf die Tür. Nun leuchtete draußen etwas Weißes auf. Gleichmäßige energische Schritte näherten sich. Susy hielt den Atem an. Sie sah ein Paar scharfe blaue Augen, die wie ein versengendes Feuer über die versammelten Mädchen fuhren, und einen großen strengen Mund, der fest geschlossen war. Fräulein Cameron durchquerte den Raum mit federnden Schritten, stieg auf das Podium und stellte sich neben den Tisch. Ihr eiserner Mund entspannte sich, und sie lächelte fast unmerklich.
    »Guten Morgen, meine Damen«, grüßte sie mit etwas heiserer Stimme.
    Ein undeutliches Gemurmel durchlief die Stuhlreihen. Alle starrten wie gebannt die Gestalt auf dem Podium an. Fräulein Cameron war von Kopf bis Fuß weiß gekleidet. Auf ihrer Haube fehlte sogar das schwarze Band, das die ausgebildete Schwester

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