Susanne Barden - 03 in New York
es dich interessiert?«
»Red keinen Unsinn!«
»Es handelt sich um Bill. Wir - du wirst wahrscheinlich erraten haben, daß wir verlobt sind.«
Kit nickte.
»Ich habe noch niemand etwas davon erzählt, weil - weil - weil
- na ja, ich wollte eben nicht, daß es jeder weiß. Er war damit einverstanden, daß wir erst heiraten, nachdem ich eine Weile selbständig gearbeitet habe. Aber nun scheint er das plötzlich vergessen zu haben. Er will, daß wir sofort heiraten.«
Kit schwieg einen Augenblick. Dann sagte sie: »Das kannst du ihm doch nicht übelnehmen. Du hast ihn lange genug zappeln lassen.«
»Ja, ja, ich weiß. Aber er hat doch versprochen, noch zu warten.«
»Willst du ihn denn nicht mehr heiraten?«
»Natürlich will ich! Für mich kommt gar kein anderer Mann in Frage. Aber - ich kann doch nicht plötzlich von Henry Street fortgehen, nachdem ich kaum sechs Monate dabei bin.«
»Ja, das ist richtig. Sonderbar, daß er das nicht einsieht! Er hat doch sonst so moralische Grundsätze.«
»Er findet wahrscheinlich, daß Mädchen nicht moralisch zu sein brauchen. Ich hab noch nicht mal meinen eigenen Bezirk gehabt und schulde der Henry-Street-Stiftung allerlei für die Ausbildung. Fräulein Russell sagte erst neulich, daß eine Schwester im ersten Jahr eher eine Belastung als eine Hilfe für die Stiftung sei.«
Kit nickte. »Wir sind durch keinen Vertrag gebunden, aber man erwartet natürlich von uns, daß wir mindestens anderthalb bis zwei Jahre arbeiten.«
»Doch das ist nicht der einzige Grund, warum ich noch nicht heiraten will«, bekannte Susy offen. »Durch eine Ehe bin ich mein Leben lang an Bill gebunden. Ich möchte vorher noch eine Zeitlang unabhängig sein.« Sie brütete eine Weile vor sich hin. Dann sagte sie nachdenklich: »Trotzdem würde ich Henry Street verlassen, da er es so wünscht, wenn es dabei nur um uns ginge. Ich hab ihm das Leben nicht leicht gemacht, und er ist sehr geduldig mit mir gewesen.«
»Schreib ihm doch, daß du es mit ihm besprechen willst, wenn er zu Connies Hochzeit herkommt«, riet Kit und fügte hinzu: »Die Zeit entwirrt manches. Und wenn ihr euch gegenübersteht, einigt ihr euch vielleicht eher.«
»Ich weiß nicht recht«, meinte Susy, die Bills Eigensinn kannte. »Und so viel Zeit ist ja gar nicht mehr bis dahin - nur noch drei Wochen. Aber wenn er hier ist, wird ihm vielleicht klar werden, daß die Henry-Street-Stiftung kein Lesekränzchen ist.«
»Hat er das geschrieben?«
»Nein, er hat etwas viel Schlimmeres getan - er hat getan, als ob die Henry-Street-Stiftung überhaupt nicht existiere, als wäre sie nicht der Erwähnung wert.«
»Ach, der arme Bill! Es ist wirklich nicht leicht für ihn. Er hat doch schon wer weiß wie lange auf dich gewartet. Kein Wunder, daß er es satt hat, von dir getrennt zu sein!«
»Ich sehe ihn doch auch nicht und leide ebenso darunter. Aber ich wünsche mir nun einmal so brennend ein kleines Stück Leben ganz für mich allein. Und ich halte es nicht für fair, wenn ich meine Arbeit jetzt hinwerfe, nachdem ich kaum damit begonnen habe.«
Damit endete das Gespräch der Freundinnen über dieses Problem. Susy befolgte Kits Rat und schrieb an Bill, daß sie alles miteinander besprechen wollten, wenn er in New York wäre. Zu der Sache selber äußerte sie sich nicht.
Bill war mit ihrem Vorschlag einverstanden. Sein Brief klang zuversichtlich - allzu zuversichtlich, dachte Susy unruhig. Schließlich schuldete sie ihm auch einiges. Sie hatte ihm versprochen, ihn zu heiraten, und nun saß sie hier in New York und dachte nur an sich selbst. Er hatte sich immer großmütig und verständnisvoll ihr gegenüber gezeigt. Jetzt, da er sie brauchte, versuchte sie ihn wieder zu vertrösten. Obwohl er sich dessen nicht bewußt war, stellte er im
Grund die Forderung: Wähle zwischen mir und Henry Street.
Susy fühlte sich hin und her gerissen. Vielleicht sollte sie die Henry-Street-Stiftung doch verlassen. Aber nein - auch der Stiftung gegenüber hatte sie Verpflichtungen. Wie sie sich auch entschloß, es würde immer verkehrt sein - es sei denn, daß Bill sich aus freien Stücken bereit fand, die Heirat hinauszuschieben.
Susys Verwirrung wurde noch gesteigert, als sie ein paar Tage später zu Fräulein Russell gerufen wurde.
»Gerade hat Fräulein MacDonald angerufen«, begann Fräulein Russell mit einem etwas kläglichen Lächeln, das nichts Gutes verhieß. »Sie wissen sicherlich schon, daß wir Sie in unseren Stab aufnehmen
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