Susanne Barden 05 - Jung verheiratet
niederträchtig.«
»Ich sagte ihr, es würde schon alles gutgehen, und keiner würde was merken. Und nun muß sie vielleicht sterben.«
Joan ließ den Kopf gegen die Wand sinken und schloß die Augen. Schweigend starrte Susy auf den glitzernden Baum und überlegte, was sie tun sollte. Auch dieses Mädchen war ihr anvertraut. »Joan ist begabt, temperamentvoll und trotz ihrer törichten Streiche im Grunde anständig«, dachte sie. »Ich bin verantwortlich dafür, was für ein Mensch aus ihr wird. Aber ich bin unerfahren. Ich weiß nicht, was hier das Richtige ist.«
»Gut, daß Sie mir alles erzählt haben!« sagte sie schließlich. »Ich will Ihnen nicht noch Vorwürfe machen. Sie haben genug gelitten. Nur eins möchte ich Ihnen sagen. Falls Alice gesund wird, wollen Ihre Eltern sie nicht weiter Krankenpflege lernen lassen.«
»Oh, wie schrecklich!«
»Leider passiert so etwas immer gerade hilflosen Menschen, eben weil sie sich nicht wehren können.« Susy legte ihre Hand beschwörend auf Joans Arm. »Man muß gut zu den Menschen sein! Niemand von uns ist gut genug.«
»Sie sind gut«, erwiderte Joan.
»Ich bin wie alle anderen.« Susy stand auf. »Nehmen Sie sich zusammen, Joan! Es wäre mir eine große Beruhigung, wenn ich mich nicht auch noch um Sie zu sorgen brauchte.«
»Ich will es versuchen. Vielen Dank, Fräulein Barden!« Der Name, mit dem Susys Freunde sie aus alter Anhänglichkeit zu nennen pflegten, war Joan ganz unbewußt entschlüpft. Susy freute sich darüber. Es war ein Zeichen dafür, daß Joan nicht mehr gegen sie kämpfte, sondern ihr vertraute.
Als Susy nach Hause kam, wartete Bill schon auf sie. Er schloß sie fest in seine Arme. »Alice wird durchkommen.«
»Bill! Ist das wirklich wahr?«
»Ja, sie wird leben.«
Jetzt brach Susy zum erstenmal seit dem Unglück in Tränen aus. Sie legte ihren Kopf an Bills breite Brust; ihre Schultern bebten. Er strich ihr beruhigend übers Haar. »Fröhliche Weihnachten!« flüsterte er zärtlich.
»Fröhliche Weihnachten!« schluchzte sie.
Susy speist auswärts
Erst als es Alice schon viel besser ging, sagten ihr die Eltern, daß sie sie nicht Krankenschwester werden lassen wollten. Sie regte sich entsetzlich auf und bekam einen Weinkrampf. Daraufhin gaben die Eltern nach. Sie konnten ihrer Tochter nichts abschlagen, nachdem sie sie fast verloren hatten. Alice bekam Erholungsurlaub und fuhr mit ihnen nach Hause.
Die anderen Schülerinnen bereiteten sich nun eifrig auf das Examen vor. Nach einiger Zeit versuchte Joan Dittmar, ihre alte Fehde mit Evelyn Adams wieder aufzunehmen, aber es war kein rechter Schwung mehr dahinter. Obwohl die beiden Mädchen Rivalinnen blieben, kam es nicht zu ernsthaften Auseinandersetzungen.
Zu Beginn des zweiten Semesters sollten zwei Lehrerinnen für die klinischen Fächer eintreffen, junge Frauen mit glänzendem Ruf und einer Reihe akademischer Grade. Dann würde das Büro mit vier Inspektorinnen besetzt sein.
»Ich komme mir einfach lächerlich vor«, sagte Susy zu Kit. »Alle außer mir haben einen akademischen Grad. Und ich an der Spitze bin nur eine einfache Krankenschwester mit dem Staatsexamen.«
»Ich bin doch auch nicht mehr.«
»Du spielst auch nicht die Rolle einer Schulleiterin. Ich posiere doch eigentlich nur. Mein Stab verrichtet die Arbeit und sagt mir, was ich zu denken habe. Mary hat in ihrem Leben mehr vergessen, als ich jemals gelernt habe. Außerdem bin ich viel zu jung für meine Stellung.«
»Daran läßt sich allerdings nichts ändern. Aber du könntest doch Urlaub nehmen und dir ein Diplom erwerben.«
»Ich hab’ auch schon daran gedacht. Aber ich weiß nicht recht ...«
»Hast du mit Bill darüber gesprochen?«
»Nein.«
»Warum denn nicht?«
»Ich kann es ja mal tun.«
Aber Susy tat nichts in dieser Sache. Warum sie davor zurückscheute, wußte sie selber nicht. Bill hätte bestimmt nichts dagegen gehabt. Seit Weihnachten war ihr Verhältnis zueinander wieder sehr innig.
Susy dachte nicht mehr an seinen Vorwurf, daß sie alle Themen zu Tode hetzte. Und obwohl es ihr Stolz nicht zuließ, noch einmal mit ihm über Marianna zu sprechen, so redete sie doch genug über andere Dinge - zum Beispiel über ihren Plan, vornehmlich ländliche Fürsorgeschwestern auszubilden.
»Das ist eine glänzende Idee«, sagte Bill. »Wann willst du damit anfangen?«
»Sobald wie möglich. Aber ich muß den Plan gründlich ausarbeiten, ehe ich ihn dem Ausschuß vorlege.«
»Sag’ mir Bescheid,
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