Susanne Barden 05 - Jung verheiratet
Zimmer und bat darum, ihren Urlaub verschieben zu dürfen. Von der Privatstation wurde angefragt, ob Susy wohl einmal herkommen könne, um eine Patientin zu beruhigen, der nichts recht zu machen war.
Der Vormittag verging wie im Flug. Auch am Nachmittag kam Susy kaum zur Besinnung. Sie hatte eigentlich vorgehabt, ihre Rosen zu gießen und sich dabei von all der Aufregung um Luise und Marianna zu erholen, aber daraus wurde nichts. Zuerst erschien eine Stationsschwester, die Urlaub haben wollte, um einen Kursus durchzumachen. Dann kam ein Beamter und verlangte eine Menge statistischer Angaben. Die Bibliothekarin meldete, daß eine Krankengeschichte verschwunden sei. Eine Schülerin bat um Urlaub zur Hochzeit ihrer Freundin. Als Susy zum letztenmal auf die Uhr gesehen hatte, war es kurz nach zwei gewesen. Nun war es schon Viertel vor sechs. Sie wollte rasch noch zum Edgett-Heim hinüberlaufen.
Luise lag im Garten in einer Hängematte und las. Susy ließ sich in einen Liegestuhl neben ihr fallen. »Nun, hat sich unser kleiner Sündenbock anständig bei dir entschuldigt?«
»Sie ist überhaupt nicht gekommen.«
»Was?« Susys Augen schweiften verwirrt über den sonnigen Rasenplatz. Als ihr Blick die offene Tür vom Edgett-Heim traf, sprang sie auf, lief ins Haus und klopfte kurz darauf an Mariannas Zimmertür.
Da alles still blieb, öffnete sie die Tür. Das Zimmer war leer, das Bett unberührt. Auf dem Tisch lag ein Brief mit Susys Namen. Sie öffnete ihn und las:
»Liebe Susy! Ich konnte mich unmöglich bei Fräulein Wilmont entschuldigen. Deshalb bin ich fortgegangen. Es hat keinen Sinn, daß ich Krankenschwester werde. Mach Dir keine Sorgen um mich. Ich schlage mich schon durch. Ich danke Dir und Kit für alles, was Ihr für mich getan habt. Es tut mir leid, daß ich Euch enttäuschen muß, aber es ist besser so. Alle meine Kleider, außer dem, was ich anhabe, lasse ich hier. Sie gehören ja eigentlich Dir. Leb wohl und viel Glück! Marianna.«
Der gute Onkel
Marianna war wie vom Erdboden verschwunden. Ein Küchenmädchen hatte sie vormittags ohne Hut und Mantel langsam zum Tor gehen sehen. Bill befragte die Omnibusschaffner und das Bahnhofspersonal von Springdale, aber keiner von ihnen hatte Marianna gesehen. Kein Mensch wußte, wohin sie gegangen war. Hinter dem Tor schien sie sich plötzlich in Luft aufgelöst zu haben.
Susy hätte viel lieber sich selbst als Marianna die Schuld an dem Unglück zugeschoben. Aber wie hätte sie anders handeln sollen? Sie hoffte nur, daß ihre Bemühungen, Mariannas gute Seiten zu entwickeln, nicht ganz umsonst gewesen waren und das Mädchen davor bewahren würden, unter die Räder zu geraten.
Auch Kit machte ihr Mut. »Nachdem sie drei Jahre lang ordentlich und anständig gelebt hat, wird sie nicht plötzlich zu ihrem früheren Vagabundenleben zurückkehren.«
»Wer weiß?« meinte Susy zweifelnd. »Ich glaube, sie hat niemals viel von einem geordneten Leben gehalten, sondern findet es viel reizvoller, sich treiben zu lassen, gleichgültig, wohin. Ach, es hat ja keinen Sinn, daß wir uns weiter über sie den Kopf zerbrechen!«
»Nanu, das klingt ja geradezu bitter!«
Susys Bitterkeit richtete sich jedoch nicht gegen Marianna, sondern gegen Bill. Der Streit wegen Marianna, der schon fast vergessen gewesen war, wurde plötzlich wieder zu einer Schranke zwischen den Eheleuten. In ihren Eigenschaften als Leiterin der Schwesternschule und als Leiter des Krankenhauses mußten sie den Vorfall natürlich miteinander besprechen. Aber ihre persönlichen Empfindungen behielt Susy für sich: den Schmerz um Mariannes Verlust, das Gefühl, versagt zu haben; die Befürchtung, daß das törichte Mädchen in schlechte Gesellschaft geraten könnte. Bill hatte gesagt, daß er nichts mehr von Marianna hören wolle. Er hatte es abgelehnt, Susys Sorgen zu teilen. Falls er sie nicht ausdrücklich dazu aufforderte, würde sie nun auch nicht mehr mit ihren Sorgen zu ihm kommen. Und er hatte sie nicht mit dem kleinsten Wort dazu aufgefordert.
»Aber gerade jetzt brauche ich dich doch so nötig, Bill!« dachte Susy verzweifelt, während sie die zweite schlaflose Nacht verbrachte. Immerfort sah sie Marianna vor sich. Krank und hungrig. Wegen Diebstahls verhaftet. Überfahren. Sie richtete sich im Bett auf und starrte trostlos ins Dunkel. In diesem Augenblick entstand ein Groll gegen Bill in ihr, der mit der Zeit immer mehr anwuchs.
Am dritten Tag nach Mariannas Verschwinden klingelte es
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