Susanne Barden 07 - Ende gut, alles gut
persönlicher Kümmernisse. Zugleich mit dem ersten Schneefall waren ein paar verunglückte Skiläufer mit Knochenbrüchen auf der Station eingetroffen. Sie trugen ihr Geschick mit Humor und rasten in Rollstühlen durch die Korridore. Auch Margot Harrison beanspruchte Susys Anteilnahme. Sie machte öfters Zwischendienst auf ihrer Station. An anderen Tagen traf Susy sie manchmal beim Essen. Margot schien kein glückliches Mittelmaß zu kennen. Entweder sie strahlte, oder sie war völlig geknickt, und immer brachte sie das Gespräch auf ihr großes Problem, Frank Warren.
Eines Tages gab sie sich sichtlich einen Ruck. »Darf ich eine unverschämte Frage an Sie stellen, Frau Barry?«
»Kommt drauf an, wie unverschämt sie ist«, antwortete Susy schmunzelnd, während sie ein Brötchen mit Butter bestrich.
Margot schwieg errötend.
»Verzeihen Sie! Ich wollte es Ihnen nicht noch schwerer machen. Sicherlich möchten Sie von mir wissen, wie ich einen Assistenzarzt davon überzeugt habe, daß ich die richtige Frau für ihn bin.«
»Ja, so ungefähr«, bekannte Margot verlegen.
»Ich weiß selber nicht mehr genau, wie es gekommen ist«, sagte Susy nachdenklich. »Das Gefühl der Zusammengehörigkeit ist allmählich in uns beiden gewachsen. Daß er der Richtige ist, erkannte ich eigentlich erst, als ich mich von ihm verlassen glaubte. Da ging mir plötzlich ein Licht auf.«
»Ob ich es mal auf diese Weise mit Frank versuche?«
»Das möchte ich Ihnen nicht raten. Frank würde sich sicherlich schnell trösten. Mein Mann ist ausgesprochen eingleisig, Frank aber ...«
»Ja, er ist schrecklich flatterhaft.« Margot stand seufzend auf. »Na, man muß abwarten. Vorläufig - zurück zur Sklaverei!«
»Lieben Sie Ihren Beruf denn nicht?«
»O doch, ich bin sehr gern Krankenschwester und möchte es auch immer bleiben. Aber der Beruf könnte mich niemals völlig ausfüllen. Gewiß, ich bin keine Vogelscheuche, und es gibt noch andere Männer außer Frank. Aber für mich - ist er eben .«
»Ich weiß«, sagte Susy. Sie dachte an Bill, der fünfzig Meilen von ihr entfernt in einem Sanatorium lag, Bill, den sie nur einmal im Monat sehen durfte. »Glauben Sie mir, ich weiß sehr gut, wie Ihnen zumute ist!«
Noch am gleichen Abend kam Frank zur Station, aber sein frisches liebenswürdiges Wesen hatte jetzt keinen Reiz mehr für Susy. »Ich möchte diesen jungen Mann mit all seinem Charme, seinen Gaben und seiner großen Zukunft am liebsten übers Knie legen«, dachte sie erbittert. »Warum muß er mit Margot spielen, wenn er sich nichts aus ihr macht?«
Als Susy an diesem Abend nach Hause kam, erwartete Anne sie mit einer Nachricht, über der sie Frank, Margot und das ganze Krankenhaus vergaß. »Ich wollte es dir lieber noch heute sagen. Fräulein Layton hat Bettina heute schon vormittags mit ihrem Wagen aus der Schule zurückgebracht.«
»Warum denn? Ist Tina krank?«
»Nein, krank ist sie nicht. Aber sie hat in der Schule immerfort geweint und wollte sich gar nicht beruhigen. Ihre Lehrerin hat einen Brief mitgeschickt.«
Susy entfaltete den Brief, den Anne ihr gab, und las: »Sehr geehrte Frau Barry! Ich möchte gern über Ihre Tochter Bettina mit Ihnen sprechen. Mit bestem Gruß C. Longmann«.
»O Himmel!« dachte Susy. »Es gibt also nicht nur anderer Leute Sorgen.«
Die kleine Samariterin
Am nächsten Morgen erwachte Susy sehr früh. Die Sorge um Bettina ließ ihr keine Ruhe, aber trotz allen Grübelns konnte sie sich nicht erklären, was dem Mädchen fehlte. Nun, vielleicht konnte Fräulein Longmann, die viel Erfahrung mit Kindern hatte, eine Erklärung finden.
Gedankenvoll ging sie ins Kinderzimmer und fand das Baby damit beschäftigt, eine Wäscheklammer von einer Schachtel in eine andere und dann wieder zurück zu legen. Sie nahm es auf den Arm und drückte den kleinen warmen Körper an sich. Dabei dachte sie etwas wehmütig an die Zeit zurück, da Bettina ebenso klein und unkompliziert gewesen war.
Die Fahrt durch die Schneelandschaft erfrischte sie ein wenig. Als sie in das Klassenzimmer trat, lächelte Bettina ihr strahlend zu.
Fräulein Longmann stand auf: »Hört mal, Kinder! Frau Barry und ich gehen jetzt ins Lehrerzimmer, um etwas miteinander zu besprechen. Schreibt inzwischen eure Arbeit zu Ende.«
Sie ging mit Susy hinaus und machte die Tür hinter sich zu.
»Können Sie die Kinder denn unbesorgt allein lassen?« fragte Susy. Sie dachte an ihre eigene Kindheit zurück und an den Aufruhr, der
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