Sushi Für Anfaenger
hatte, als sie mit Ashling unterwegs gewesen war. Es hatte seitdem im Schrank gehangen und sie mit seiner ungetragenen Neuheit daran erinnert, dass sie nie ausging.
Kritisch betrachtete sie sich im Spiegel. Meine Güte, war es kurz! Kürzer, als sie in Erinnerung hatte. Und durchsichtig. Aber als sie, des Anstands wegen, einen schwarzen Halbunterrock darunterzog, sah es nur albern aus, also zog sie ihn wieder aus. Sichtbare Reizwäsche war ganz in Ordnung, sagte sie sich. Besser als in Ordnung. Es war unabdingbar , wenn man sich als gut angezogen betrachten wollte. Ihr Problem war, dass sie zu lange in Jeans und T-Shirt herumgelaufen war. Also schlüpfte sie in hochhackige Sandalen, sagte sich, dass sie grandios aussah, und erschien auf dem Treppenabsatz, wie ein Filmstar bei seinem Auftritt.
»Wie sehe ich aus?«
Alle versammelten sich unten an der Treppe und sahen hinauf. Es entstand eine verblüffte Pause.
»Fantastisch«, rief Ashling, aber den Bruchteil einer Sekunde zu spät.
Teds Mund stand offen vor Bewunderung, als er zusah, wie Clodagh ein Bein vors andere setzte und die Treppe herunterkam.
»Dylan?«, fragte Clodagh.
»Fantastisch«, sagte auch er.
Sie war nicht überzeugt. Sie war sicher, sie hatte einen Vorbehalt in seinen Augen gesehen, aber er war so klug, ihn nicht zu äußern. Craig jedoch kannte solche Zurückhaltung nicht. »Mummy, dein Kleid ist zu kurz, und ich kann deine Wunderhose sehen.«
»Das stimmt nicht.«
»Doch, kann ich!«, beharrte er.
»Kannst du nicht«, korrigierte Clodagh ihn. »Du kannst meinen Slip sehen. Jungen tragen Wunderhosen und Mädchen tragen Slips.« Dann murmelte sie, in einem ganz ungewohnten Ausbruch von Bissigkeit: »Außer Ashlings Freundin Joy.«
Molly, die dabei war, ihre Hände mit Brombeermarmelade einzureiben, war die Einzige, der es anscheinend gleichgültig war, was Clodagh anhatte.
»Du siehst auch sehr gut aus«, sagte Ashling zu Dylan. Und das tat er auch in seinem dunkelblauen legeren Anzug und dem biskuitfarbenen Hemd.
Er grinste. »Du bist ein Schatz.«
»Lackaffe«, hörte Ashling, so unterdrückt und verächtlich, dass sie dachte, sie hätte es sich eingebildet. Es schien aus Teds Richtung gekommen zu sein.
»Sind wir so weit?«, fragte Dylan mit einem Blick auf seine Uhr.
»Einen Moment noch.« Clodagh beeilte sich, mehrere Telefonnummern aufzuschreiben. »Das ist die von Dylans Mobiltelefon«, sagte sie und kritzelte eine weitere Nummer auf das Blatt, »und das ist die Nummer von dem Restaurant, falls wir in einem Funkloch sind...«
»Mitten in Dublin wird das kaum passieren«, warf Dylan ein.
»... und das ist die Adresse von dem Restaurant, wenn ihr uns telefonisch nicht erreicht. Wir kommen nicht so spät zurück.«
»Doch, kommt ruhig spät«, ermunterte Ashling sie.
Clodagh umarmte Molly und Craig und drückte sie fest, dann sagte sie, nicht sehr zuversichtlich: »Seid nett zu Ashling!«
»Und zu Ted«, fügte Ted hinzu und schürzte seine Lippen in, wie er dachte, cooler Manier mit Blick auf Clodagh.
»Und zu Ted«, murmelte Clodagh.
Als sie im Gehen begriffen waren, drückte Molly ihre mit Brombeermarmelade beschmierte Hand auf Clodaghs Po. Leider - oder vielleicht zum Glück - bemerkte Clodagh es nicht.
30
Kaum hatte Clodagh die Tür hinter sich zugemacht, als Molly und Craig in ein jämmerliches Wehgeschrei ausbrachen. Clodagh warf Dylan einen hilflosen Blick zu und wollte umkehren.
»Nein!«, sagte er fest.
»Aber...«
»Die hören nach einer Weile schon auf.«
Mit einem Gefühl, als würde sie in der Mitte zerrissen, stieg sie in das Taxi und ließ sich davonfahren. Das hatte man jetzt von bedingungsloser Liebe, dachte sie bitter. Was war es doch für eine schreckliche Last.
Ihr Tisch im L‘Œuf war für halb acht bestellt - sie hatten die Wahl zwischen halb acht und neun Uhr gehabt, und für Clodagh war neun Uhr viel zu spät. Oft war sie dann schon im Bett. Sie brauchte ein paar Stunden ungestörten Schlaf, bevor sie um vier Uhr morgens aufstehen und in der Dunkelheit Lieder vorsingen musste.
Dylan und Clodagh waren die ersten Gäste. Sie durchschritten die ehrfurchtgebietende Stille des leeren, weißen Saals mit den griechischen Säulen, und Clodagh fühlte sich in ihrem Kleid zunehmend unbehaglich. Es schien die Blicke der mit reglosen Mienen herumstehenden Kellner auf sich zu ziehen. Am Rocksaum zipfelnd, um das Kleid länger zu ziehen, eilte sie zu ihrem Sicherheit gewährenden Tisch. Sie war so
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