Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
der Couch anwinkelnd, fragte sich Daisy, ob sie eigentlich noch alle Tassen im Schrank hatte. Sie musste verrückt sein, künstliche Befruchtung und Scheidung als alternative Strategien zur Lösung ihrer Partnerschaftsprobleme zu erwägen. Dennoch wünschte sie sich ein Kind und zwar eins mit dem guten alten Tom. Aber das war ja gerade das Problem, dass aus ihm der gute alte Tom geworden war. Schluss damit, Daisy gab sich einen inneren Ruck, gleich heute Abend auf der Heimfahrt wollte sie mit ihm über die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung reden. Wenn all die Mühen damit endeten, dass sie ein gemeinsames Kind bekamen, nun, dann waren sie auch füreinander bestimmt. Wenn nicht … Daisy warf einen heimlichen Blick auf Tom, der mittlerweile auf den Sender ABC umgeschaltet hatte und vollkommen in die Börsennachrichten vertieft zu sein schien.
Es stimmte, dass ihre Ehe seit einiger Zeit nur mehr halbherzig und eher gleichförmig dahinplätscherte, obwohl sie sich eigentlich ganz wohl dabei fühlten. Es war die Art von Partnerschaft, wo sich beide beim Kochen abwechselten. Die Art von Partnerschaft, wo beide alles unternahmen, um wenigstens einmal pro Woche Sex zu haben, weil die Alternative einfach zu deprimierend gewesen wäre – dem Himmel sei Dank für den Rotwein.
Daisy hatte keine Ahnung, wie es anderen Paaren erging. Wie aufregend konnte eine Ehe nach zehn Jahren denn noch sein? Fast ein Drittel ihres Lebens wachte sie nun schon tagein, tagaus neben Tom auf. Sie kannte die Farbe seiner Schuppen und die Form seiner Zehennägel. Manchmal
glaubte sie sogar zu wissen, was er sagen würde, noch bevor es ihm überhaupt in den Sinn kam. Zu den Geburtstagen des anderen fielen ihnen auch keine originellen Geschenke mehr ein, so dass sie am Ende immer ›was für die Wohnung‹ aussuchten. Mittlerweile zogen sie es gewöhnlich auch vor, sich was vom Chinesen kommen zu lassen, anstatt sich den ganzen Hickhack eines Restaurantbesuchs anzutun.
Doch manchmal, vor allem in den frühen Morgenstunden, wenn sie im Bett lag und Toms Atem lauschte, kam sie nicht umhin, sich zu fragen, ob das denn schon alles war? Hatte das Leben denn nicht mehr zu bieten? Sie bekam allmählich diese scheußlichen kleinen Falten auf der Oberlippe, und auch die Vorstellung, ihren Vierzigsten mit einem rauschenden Fest zu begehen, rückte immer näher – leider nicht als köstlicher Witz. Sie und Tom machten sich nicht einmal mehr die Mühe, den anderen zum Lachen zu bringen. Und sie hätte schwören können, dass der Hund mehr liebevolle Aufmerksamkeit von ihm bekam als sie. Sogar ihre Namen ärgerten sie zunehmend – ›Tom und Daisy‹, wie in einem Zeichentrickfilm.
Derweil hatten sich die Dinge dann von mittelmäßig zu desaströs entwickelt. Tom war seit drei Jahren der führende Y2K-Spezialist seiner Firma. Trotz seiner düsteren Prophezeiungen dessen, was beim Übergang vom zweiten auf das dritte Millennium passieren könnte, stieg er bis an die Firmenspitze auf. Er ging in den Chefetagen der bedeutendsten Firmen des Landes ein und aus. Zudem hatte er sich bei den höchsten Regierungsbeamten lieb Kind gemacht und viele Erster-Klasse-Flüge in die USA unternommen. Er hatte im Namen seiner dankbaren Klientel Milliarden von Dollars im Kampf gegen den drohenden Computercrash ausgegeben. Und er hatte eine Partnerschaft mit einer der fünf wichtigsten Consultingfirmen der Stadt an Land gezogen.
Daisy mochte es ja ein wenig öde finden, wie Tom jede
Party in eine Unterrichtsstunde über das unmittelbar bevorstehende Ableben sämtlicher elektrischer Garagentoröffner verwandelte – ganz zu schweigen von Mikrowellenherden, Autos und Alarmanlagen; doch freute sie sich, dass es mit seiner Karriere so gut lief. Und Tom glaubte wirklich an den Super-GAU. So sehr, dass ihr Gartenschuppen inzwischen bis zum Wellblechdach voll gestopft war mit kistenweise Mineralwasser, Medikamenten, Verbandsmaterial sowie haufenweise Dosen mit Baked Beans und anderen kohlehydratreichen, lange haltbaren Köstlichkeiten.
Je näher der Jahrtausendwechsel heranrückte, desto fieberhafter wurden Toms Vorbereitungen und desto umfangreicher die Vorräte im Schuppen. Er verkaufte sogar ihr gesamtes Aktienpaket, um in dem sicher bevorstehenden Börsencrash kein Geld zu verlieren. Und er hatte heimlich, an Orten, die er selbst inzwischen nie mehr wiederfinden würde, beachtliche Mengen an Bargeld deponiert, gemäß seiner Behauptung, sämtliche Geldautomaten in
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