Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
sie den Wagen in der Einfahrt von Patrick und Patricias elegantem Anwesen in der Rose Bay. Inzwischen hatten sie den Bogen bei diesen Familientreffen perfekt raus. Man kam am besten spät, aber nicht so spät, dass es den Eindruck erweckte, man wolle möglichst viel von der Zeit abzwacken. Nach einem kurzen, aber heftigen Wortstreit darüber, wer nun das Geschenk nehmen sollte – »Es ist der Geburtstag deines Bruders!« – »Aber Frauen sehen mit solchen Sachen immer besser aus. Außerdem hab ich schon den Wein« – läuteten Tom und Daisy an der Haustür.
»Meine Lieben!«, rief Patricia aus. »Besser spät als nie!«
»Hallo, Mutter«, sagte Tom.
»Mein lieber Tom! Du siehst wundervoll aus. Hast ein Bäuchlein bekommen, wie ich sehe.« Sie hielt ihm eine sorgfältig gepuderte Wange hin. »Und Daisy!«
»Hallo, Patricia! Auch du – immer vollkommen!«
Was stimmte. Patricia wandte sehr viel Zeit und Energie auf ihr Äußeres – mit beeindruckendem Ergebnis. Sie war nicht gerade klein, aber so dürr, dass man sich unwillkürlich fragte, wie sich ihre maßgeschneiderten Hosen ohne Gürtel
oben hielten. Ihr Gesicht wies, dank der sorgfältigen und wiederholten Bemühungen der besten Schönheitschirurgen Sydneys, keinerlei Falten auf. Das Haar schimmerte in einem sehr natürlich wirkenden Blassgold – ein Ton, der Jugendlichkeit assoziierte, ohne sich mit ihrem Teint zu schlagen, der nur im allerhärtesten Sonnenlicht gruselig wirkte.
Heute Abend trug sie, wie meistens, einen maßgeschneiderten Hosenanzug, diesmal in Taubengrau, was sehr gut zu der Kette mit den taubeneigroßen Zuchtperlen passte, die sich lässig um ihren dürren Hals schlang.
»Danke, Daisy, meine Liebe. Und du siehst auch ganz, äh, entzückend aus. Richtig flott, diese Radlerhosen!« Mit einem ›Husch, husch‹ und den entsprechenden Gesten scheuchte sie die beiden in Richtung Wohnzimmer.
»Da sind sie endlich!«, trompetete sie, als sie durch die Tür traten.
Patrick, der in ›seinem‹ Sessel hockte, sprang wie aus der Pistole geschossen auf. Rechts und links vom Kamin standen passende ›Er-‹ und ›Sie‹-Sessel. Alles im Raum war cremeweiß, von den Polstern über die Teppiche, ja selbst die meisten Buchrücken im Regal. Patricia hatte hie und da Farbkleckse gesetzt – Kissen, ein kleiner Vorlegeteppich, handbemalte Töpferwaren auf einem Tisch aus hellem Holz. Daisy fand das Ganze schrecklich, wie für einen Artikel in der Vogue Living . Andauernd hatte sie Angst, irgendwann einmal aus Versehen einen Tropfen Rotwein auf dem makellosen cremeweißen Wollteppich zu verschütten.
Und das wäre auch prompt passiert, wenn sie in diesem Moment ein Glas Wein in der Hand gehabt hätte, denn nun kam Patrick mit einem Panthersprung auf sie zu, um sie wie immer in die Wange zu kneifen. »Daisy, Schätzchen!«, röhrte er. »Hab dich ja schon ewig nicht mehr gesehen! Und Tom!«
Vater und Sohn schüttelten sich verlegen die Hände.
Irgendwann hatten sie aufgehört mit Küsschen und Umarmung, wollten es aber doch nicht ganz ohne irgendeine Berührung belassen. Tom hatte Daisy anvertraut, er habe das Gefühl, sein Vater gäbe ihm stets den typischen ›Vertrauen Sie mir, ich bin ein sehr versierter Stadtplaner‹-Händedruck. Er bekam dabei immer unwillkürlich Lust, irgendetwas zu unterschreiben.
Patrick, Toms Vater, war ein Schrank von einem Mann und erweckte regelmäßig den Eindruck, alle seine Sachen stammten aus einem Herrenkonfektionsgeschäft für Übergrößen. Er war der Chef einer großen Baufirma und hatte sich diese Stellung, wie er jedem erzählte, der ihm lange genug sein Ohr lieh, mit schierem Fleiß und harter Arbeit erkämpft. Er hatte als einfacher Bauarbeiter angefangen und sich die Karriereleiter bis ganz nach oben gearbeitet. Ein alter zerkratzter Schutzhelm, der eisern auf seinem wuchtigen Schreibtisch im siebenundzwanzigsten Stock stand, erinnerte an diese bescheidenen Anfänge, die er hoch in Ehren hielt.
Daisy war sich nicht sicher, wie er es geschafft hatte, ausgerechnet jemanden wie Patricia an Land zu ziehen – Patricia mit ihrem makellos gewellten Blondhaar, den wie angegossen sitzenden Hosenanzügen und den ›intimen‹ Abendessen für zwölf, zu denen sie in regelmäßigen Abständen jeden einlud, der Patricks Karriere auch nur im Entferntesten zu nützen versprach. Eine recht ungewöhnliche Verbindung war dies zwischen einem gutmütig-derben Mann und einer erschreckend mageren Frau mit einer
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