Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
Banken und Supermärkten würden mindestens für Wochen ihren Geist aufgeben.
Als dann endlich das Jahr 1999 ins Jahr 2000 hinübertickte – passierte gar nichts. Der Computercrash blieb aus.
Nichts geschah in Australien, wo auf Anweisung von Tom und seinen Genossen Millionen zum Schutz vor dem Problem ausgegeben worden waren. Und nichts passierte in Asien und in Osteuropa, Kontinente, die keine müde Mark ausgegeben hatten. Tom war ein gebrochener Mann. Er fühlte sich in seiner Firma wie ein Volltrottel. Noch schlimmer, bestimmt dachten seine ehemaligen Kienten nun, er hätte ihr Geld absichtlich zum Fenster rausgeworfen. In den Medien war von ›Ausnehmen‹ und ›über den Tisch ziehen‹ die Rede. In den Chefetagen, wo man ihn zuvor mit frisch gebrühtem Kaffee und diversen kalten Platten willkommen geheißen hatte, wurden ihm jetzt die Türen vor der Nase zugeknallt.
Seit sechs Monaten ging das mittlerweile so, und noch immer hatte er nicht herausgefunden, wo sein neuer Platz in der Firma sein könnte. Er war ein Relikt aus einer vergangenen Ära. Und Tom und Daisy konnten nach wie vor nicht in ihren Gartenschuppen.
Jetzt weigerte er sich, überhaupt noch über den Y2K-Virus zu reden, sogar bei Daisy, wogegen er früher gar nicht mehr damit aufhören konnte. Er wurde zunehmend depressiv, schlurfte lethargisch durchs Haus, kam früher als je zuvor von der Arbeit heim und verbrachte mehr Zeit denn je mit dem ziellosen Herumsurfen im Internet, wo er neue Sites aufsuchte oder sich in oberflächlichen Chats mit Wildfremden aus Kopenhagen oder Wisconsin erging.
Daisy fand, sie hätte es mit jeder nur erdenklichen Methode probiert, ihm zu helfen. Zuerst ließ sie ihn einfach in Frieden. Carmen, eine ihrer Freundinnen, hatte ihr ein Buch mit dem Titel Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus geliehen; daher wusste Daisy ganz genau, wie wichtig es war, dem Mann das Gefühl zu geben, er sei kompetent genug, mit seinen Problemen alleine fertig zu werden, ohne irgendwelche Ratschläge vom übertrieben hilfsbereiten Frauchen.
Carmen, eine ehemalige Physiotherapeutin, arbeitete nach einer beruflichen Midlifekrise inzwischen als Assistenzveterinärin in Daisys örtlicher Tierklinik. Daisy, die sich andauernd Sorgen um Chumps Gesundheit machte, war dort ein häufiger Gast und sah Carmen deshalb regelmäßig. Carmen hatte gesagt, sie müsste Tom jetzt unbedingt in Ruhe lassen, ihm Zeit geben, in seiner ›geistigen Höhle‹ zu verschwinden, um sein Problem durchdenken zu können. »Bloß gut, dass er keine echte Höhle braucht«, hatte Daisy spöttisch bemerkt, »denn im Gartenschuppen ist kein Platz mehr.« Doris, ihre andere gemeinsame Freundin, war dagegen der Ansicht, dass Tom einfach einen Tritt in den Hintern
brauchte und ein paar gepfefferte Ratschläge, von wegen er solle seinen Arsch in Bewegung setzen.
Als also das mit dem In-Ruhe-Lassen nicht funktionierte, versuchte es Daisy mit dem Tritt in den Hintern. Sie zog alle Register: Sarkasmus, Schmollen, liebevolle Fürsorge und Durchdiskutieren des Problems. Ja, sie flehte Tom sogar an, doch mehr mit seinen Kumpels auszugehen oder sich ein neues Hobby zuzulegen. Nichts fruchtete. Tom verbrachte die Zeit vor der Glotze oder vor dem Monitor. An manchen Abenden hatte Daisy das Gefühl, wenn sie jetzt einfach ginge und nie wiederkäme, würde Tom es nicht einmal merken. Außer an den Abenden, wenn sie mit Kochen dran war.
Mit ihren Eltern traute sie sich nicht, darüber zu sprechen. So weit es Nell und Rob betraf, galt eine Ehe bis ans Lebensende, Schluss-Aus; nur wenn einer der Partner gewalttätig wurde, musste man ihn natürlich schleunigst verlassen – ja, wenn man es nicht tat, war man geradezu kriminell blöd. Dass Daisy sich von Tom trennen könnte, einfach weil sie sich zu Tode langweilte und nach mehr Aufmerksamkeit sehnte, erschiene den beiden älteren Leutchen als im höchsten Grade bizarr. Eine Ehe war schließlich keine Unterhaltungssendung, sondern eine alternative Verbindung, in der die Partner mit beiden Beinen im Leben standen und den Alltag als Team bewältigten. Unter ›Erfüllung der Bedürfnisse des anderen‹ verstanden sie, dass er die Dachrinne freiräumte, während sie all seine Anziehsachen kaufte.
So mochte man ja auf einer Farm zusammenarbeiten; doch Daisy hatte erkannt, dass sich ihres und Toms Leben auf parallelen Gleisen bewegte, die sich nur an bestimmten Punkten berührten – wie zum Beispiel beim abendlichen Fernsehen. Kein
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