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Sushi und Kartoffelbrei Ticktack

Sushi und Kartoffelbrei Ticktack

Titel: Sushi und Kartoffelbrei Ticktack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freeman Jane
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›anreizmäßig‹. Aber Daisy wusste, dass hinter den gestreiften Anzügen und den dicken Siegelringen an den Wurstfingern ein Mann mit einem goldenen Herzen steckte. Ein Mensch voller Begeisterung für das Leben und für die Dinge, die er liebte, allen voran seine Frau und seine Kinder. Carmen begegnete er immer mit fast übertriebener Bewunderung, und seine Kinder betete er geradezu an. Jedes Jahr verbrachte er Stunden mit der Planung ausgefallener Kindergeburtstage – von Kamelritten bis zum Aufstellen irgendwelcher Zuckerwatteautomaten.
    Carmen sagte gerade: »Manchmal muss man sich einfach auf etwas einlassen, dann verschwindet der Reiz des Neuen
und Verbotenen ganz von selber. Eines Tages schaust du den Menschen an, nach dem du so verrückt warst, und merkst, dass er mit offenem Mund kaut oder in der Nase bohrt oder eine ganze Stunde lang mit der Sportseite im Klo verschwindet, und du denkst dir, ›o Schade, was habe ich bloß an dem gefunden?‹ Auf einmal, päng, kommst du wieder zu dir! Also sollte ich vielleicht sozusagen den Teufel mit Beelzebub austreiben, indem ich mich mit ihm einlasse … John braucht davon nie etwas zu erfahren. Ehrlich, Leute, wie mich der Typ nur ansieht, wenn er mich rausschickt, um den Viechern ihre Medizin zu geben, wie er sagt, ›Seien Sie bloß vorsichtig da draußen, dass Ihnen nichts zustößt‹. Da schmelze ich einfach dahin!«
    Daisy merkte, wie ihr absurderweise die Tränen kommen wollten. Was gewiss nicht an der Vorstellung lag, wie irgendein schmieriger Tierdoktor sich Gedanken darum machte, dass Carmen von einem räudigen Hund aufgefressen werden könnte. Es war der Gedanke, dass Carmen und John, ihr ›ideales Ehepaar‹, möglicherweise ebenfalls scheitern könnten.
    In jeder Krise hatte sie sich immer Carmen und John vorgehalten und sich gesagt, es kann funktionieren. Schau, wie glücklich die beiden sind! Schau dir Ben und Ally an, wie sie in ihren Flanellschlafanzügen mit Mama und Papa auf dem Sofa kuscheln. Schau, wie Carmen seit Jahren Mürbekuchen backt, weil das Johns Lieblingsspeise ist. Schau dir nur an, wie John Carmen noch immer Pediküre verabreicht und ihr die Fußnägel lackiert. Die beiden schienen wirklich einen Ort der Ruhe, ein verborgenes Shangri La entdeckt zu haben, an dem verheiratete Paare glücklich waren. Hatte Daisy zumindest gedacht.
    »Hör auf! Ich halte das nicht aus!« Sie schluchzte fast. »Das will ich nicht hören.«
    Carmen wirkte geschockt. »Ich hätte es mir verkneifen
sollen. Du hattest es in letzter Zeit nicht leicht. Hast deinen wunderschönen Ring verloren, bist von deiner Schwiegermutter angekeift worden und quälst dich jetzt auch noch mit künstlicher Befruchtung rum. Ich hätte meine Klappe halten und gar nichts von dem Tierarzt sagen sollen. Selbstverständlich werde ich es sein lassen. Ich spiele doch nur mit dem Gedanken, auch mal was Verbotenes zu tun.«
    Daisy drückte sich kopfschüttelnd die billige, harte Papierserviette an die brennenden Augen.
    »Nein, entschuldige, ich bin diejenige, die’s mal wieder übertreibt. Wieso sollte es heute nur um mich und meine wackelige Ehe gehen? Und es gibt keinen Grund, warum wir dich und John immer als das Idealbild des glücklich verheirateten Ehepaars aufs Podest stellen.«
    »Wieso denn nicht?«, warf Doris ein und griff nach ihrer Zigarettenschachtel. »Irgendwer muss doch dort stehen, Herrgott noch mal!«

5
    Als Tom zwei Tage später morgens die Augen aufschlug, wusste er im ersten Moment nicht gleich, wieso er sich so mies fühlte. Es war doch Samstag. Er hatte keinen Zahnarzttermin. Seine Mutter wollte auch nicht vorbeischauen. Und in den Zeitungen stand, zumindest bis gestern, noch nichts über den Ausbruch eines Dritten Weltkriegs.
    Dennoch spürte er, mit starrem Blick zum Ventilator an der Decke hinauf, wie eine erstickende, dunkelgraue Düsternis sich einem nassen Laken gleich über ihn legte. Dann fiel es ihm wieder ein: Heute war Grilltag.
    Alle drei bis vier Monate schlug Daisy in einem Anfall von übertriebener Geselligkeit vor, doch ein Grillfest zu veranstalten. »Wär’ mal wieder richtig schön! Bestimmt schulden wir längst einer ganzen Menge Leute eine Gegeneinladung.« Als Resultat kam ein Grilltag heraus.
    Diese ebenso spontanen wie unstrukturierten Einladungen führten jedes Mal unweigerlich zu einem sozialen Desaster. Leute, die aus verschiedenen Welten stammten, wurden hastig zusammengewürfelt, weil Daisy der irrigen Annahme war – obwohl

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