Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
fragte Daisy. Das war nicht nur ein Ablenkungsmanöver. Sie hörte John gern zu, wenn er über seine Arbeit redete, denn er tat es stets mit Leidenschaft.
Doch noch bevor John den Mund öffnen konnte, blaffte Carmen: »Fang bloß nicht schon wieder damit an, John.«
»Aber Daisy hat doch gefragt«, verteidigte John sich.
»Aus reiner Höflichkeit. Das ist dein Stichwort, zu sagen ›alles prima‹ und dann zu einem Thema zu wechseln, das die Leute wirklich interessiert. Banking interessiert doch kein Schwein.«
»Machst du Witze? Jeder interessiert sich dafür. Das kommt gleich nach dem Wetterbericht und der Sportschau«, wurde sie von ihrem Gatten aufgeklärt.
Carmen sagte, an Doris und Daisy gewandt: »John bildet sich halt gerne ein, sein Beruf gäbe ein geiles Gesprächsthema ab. Letztes Wochenende waren wir zum Essen eingeladen und ich schwöre euch, John hat den ganzen Abend über nichts anderes geredet als über seine Kreditgeschäfte. Die Gastgeberin musste einen Weckdienst anrufen, sonst würden die Leute heute noch vor sich hinschnarchen.«
Daisy, der diese öffentliche Bloßstellung peinlich war, versuchte in die Bresche zu springen. »Aber es stimmt, die Leute interessieren sich für Bankgeschäfte. Bloß, dass sie es meistens so hinstellen, wie sehr sie sie hassen.«
»Das macht uns nichts aus«, warf John ein. »Sobald sie uns brauchen, schwören sie wieder auf uns.«
»Ach, bitte, ja?« Das kam von Carmen. »Bloß, weil du für eine Institution arbeitest, die das menschliche Bedürfnis ausnützt, ein Dach über dem Kopf zu haben, stimmt es noch lange nicht, dass du für so eine Art Wohltätigkeitsorganisation arbeitest.«
»Sicher nicht so altruistisch, wie sich um kleine Pelztiere zu kümmern«, scherzte John.
»Wenn du damit sagen willst, dass dir meine berufliche Umorientierung nicht passt, dann rück raus mit der Sprache, anstatt mir versteckte Hiebe zu versetzen«, fauchte Carmen.
Auf Johns Miene malte sich Verwirrung. »Aber so habe ich das doch gar nicht gemeint, Schätzchen – war bloß so eine Bemerkung. Du weißt schließlich, dass ich dich hundertprozentig unterstütze. Wenn man sich einmal ansieht, wie lausig wenig du als Tierpflegerin verdienst, dann musst du mir echt dankbar sein!« John stieß ein brüllendes Gelächter aus.
Daisy warf Doris einen verzweifelten Blick zu. Carmen und John kabbelten sich seit jeher gerne vor anderen Leuten; doch nun glaubte Daisy eine neue Bitterkeit aus Carmens
Stimme herauszuhören, die vorher nicht da gewesen war. Erleichtert sah sie in diesem Moment Harry auftauchen und seinen Klappstuhl neben Doris in den Rasen pflanzen.
»Also das Essen ist einfach köstlich«, verkündete er. »Und mit am besten finde ich diesen Eisbergsalat. Ich hab’s so satt, überall nur dieses neumodische, krauselige schwarze Kraut vorgesetzt zu bekommen. Hier ist wenigstens eine Küchenfee, die noch einen knackigen Eisbergsalat zuzubereiten versteht.«
Daisy, die vermutete, dass er die Schieflage der Stimmung gemerkt hatte, und deswegen hergekommen war, strahlte ihn an.
»Danke, Harry. Und was machen Sie so?«, erkundigte sie sich.
»So viel wie möglich. Tot ist man später lange genug. Aber falls Sie damit meine Arbeit meinen: Ich habe eine Softwarefirma, die Betriebssysteme für kleine und mittlere Unternehmen entwickelt.«
»Also, ich hole mir jetzt noch eine Wurst«, platzte Doris rüde dazwischen und erhob sich.
»Ich komme mit«, rief Daisy ihr zu. »Wir sind gleich wieder da.«
Sie gingen zu dem vorübergehend verwaisten Grill, wo schon die nächste Ladung duftend vor sich hinbrutzelte.
»Ein Glück, dass Harry da ist. Was sollen wir bloß mit Carmen und John anfangen?«, flüsterte Daisy aufgeregt.
»Wie wär’s mit einem Keuschheitsgürtel für Carmen?«, schlug Doris vor und wedelte dabei mit der Wurstzange.
»Nicht doch, du Witzbold! Ich meine, wie sie miteinander umgehen.«
Doris blickte sie verwundert an. »Das ist doch schon immer ihre Masche!«
»Aber jetzt meint sie’s ernst. Es ist peinlich. Und John macht ihr weiter seine Komplimente und hofiert sie, wie gehabt.
Ich habe sie immer beneidet, weil Tom längst aufgehört hat, mir Komplimente zu machen und mir zu sagen, wie schön ich bin. Zumindest seit wir verheiratet sind. Obwohl – ich bin mir nicht mal sicher, ob er zuvor mehr gesagt hat.«
»O ja, das klebrige Zeug kommt John leicht von den Lippen. Aber sie kabbeln sich seit eh und je. Das muss dir doch aufgefallen
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