Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
mich für sie«, sagte Daisy. »Ehrlich. Und Doris meint, sie würde vielleicht auch kurz reinschauen, und
dann kommt noch Toms Geschäftspartner mit Gattin, du weißt schon, die, die uns zu ihrer Hochzeit vor sechs Monaten eingeladen haben.«
»Aber ihr seid doch gar nicht hingegangen.«
»Natürlich nicht. Was zählt, ist die Einladung. Früher hat man Visitenkarten gewechselt, heute sind es Einladungen. Die man natürlich nicht immer annimmt. Also«, sagte Daisy gedehnt, »bringst du John jetzt mit oder nicht?«
»Selbstverständlich bringe ich John mit! Er würde glauben, dass was ganz schön Merkwürdiges vorgeht, wenn ich zum Grilltag bei euch ohne ihn aufkreuzte.«
»Und – geht was Merkwürdiges vor?«
Carmen seufzte. »Ich hab’s dir doch gesagt. Vielleicht. Also, ich muss jetzt. Die Kids sind noch immer nicht angezogen. Wir sehen uns dann in einer Stunde.«
Das Klingeln an der Tür und Chumps hysterisches Gebell teilten Daisy mit, dass die ersten Gäste eingetroffen waren. Doris, mit einem Unbekannten im Schlepptau. Sie trug knallenge, ausgebleichte Jeans und ein weites, schlabberiges schwarzes Sweatshirt. Mit ihren kurz geschorenen schwarzen Haaren sah sie aus wie eine Beatnik-Puppe, die vorübergehend von Kerouac und dem Rest der Gang getrennt wurde.
»Hoffe, einer mehr macht dir nichts aus«, verkündete sie unbekümmert. »Wir haben uns heute Morgen beim Frühstück kennen gelernt.«
Diese Mitteilung musste Daisy erst verdauen. Bedeutete das, Doris hatte den One-Night-Stand mittlerweile zu einer solchen Kunstform entwickelt, dass man sich sozusagen erst kennen lernte, wenn alles schon vorbei war?
»Beim Frühstück?«, fragte Daisy.
»Frag besser nicht«, riet Doris ihr neckisch.
»Wir haben im selben Café gefrühstückt und sind ins Gespräch
gekommen«, erklärte der Mann. »Doris war dann so nett, mich auch noch zum Lunch einzuladen. Sie hat mir hoch und heilig versprochen, Sie hätten nichts dagegen. Das stimmt doch hoffentlich?«
»Na klar«, sagte Daisy und nahm wie betäubt die Pralinenschachtel entgegen, die er ihr hinhielt. Er hatte grau meliertes Haar, konnte jedoch höchstens Mitte Vierzig sein. Mit seinem kastanienbraunen Designer-Jogginganzug wirkte er, als würde er sich auf dem Grundstück eines luxuriösen Wellness-Centers für die obere Firmenriege fit machen.
»Wie nett von Ihnen!« Und stellte sich vor: »Ich heiße übrigens Harry Fowler.«
»Daisy.«
Sie gaben sich die Hand; dann zerrte Doris ihn in den Garten, wo Tom schon am Grill herumkratzte und überhaupt all die Dinge machte, die eben mit dem Grillen verbunden waren, so mysteriös sie Daisy auch erschienen. Sie wusste nur eins: Man brauchte dazu jede Menge Krimskrams und Küchenrollen.
Sobald Doris ihren Begleiter Tom vorgestellt hatte, tauchte sie wieder in der Küche auf.
»Tut mir Leid, dass ich dir das antun musste. Konnte den Typ einfach nicht mehr abschütteln«, erklärte sie.
»Aber er kommt mir recht – äh – angenehm vor«, protestierte Daisy. »Die grauen Haare wirken so distinguiert.«
»Du bist auf diesen Trick mit der Pralinenschachtel reingefallen. Würg. Und hast du den Jogginganzug gesehen? Himmel, ich hasse Männer in Jogginganzügen. Frauen auch.«
Daisy öffnete eine Flasche Tonic. »Du wirst vielleicht feststellen, dass ein Jogginganzug noch das Harmloseste ist. Seine Frau zu prügeln oder sich im Bett die Zehennägel zu schneiden ist viel schlimmer.«
»Und ich werde einst feststellen, dass ich mir einen Kombi
zulegen und in meinem Vorgarten Rosen züchten möchte. Aber die Wahrscheinlichkeit ist gering.«
Tom streckte den Kopf durch die Tür. »Könnten wir da draußen vielleicht ein paar Biere kriegen?«
Daisy warf Doris einen Seitenblick zu. »Klar. Doris bringt sie euch.« Als Tom sich wieder zu seinem Grill trollte, reichte sie Doris ein paar Bierflaschen aus dem Kühlschrank. »Du gehst besser raus und erlöst deinen Typen, bevor Tom ihn noch mit seinem neuesten Steckenpferd, dem e-commerce , zu Tode quält.«
»Das sollte Harry gefallen. Er macht selbst was mit Computern. Hat eine eigene Softwarefirma oder putzt Tastaturen, so in der Art.«
Als es erneut klingelte, standen Toms neuer Geschäftspartner, Keith, und seine frisch angetraute Gattin, Sophie, vor der Tür. Er trug, was Daisy insgeheim die ›Freizeituniform der mittleren bis oberen Chefetage‹ nannte – gestreiftes Polohemd, helle Baumwollhose und Lederslipper. Sophie, die mindestens im fünften Monat
Weitere Kostenlose Bücher