Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
Finger. Wahrscheinlich dachte sie, ein Shakehands wie ein toter Fisch wäre femininer als ein ordentlicher Händedruck. Clare, die anderer Meinung war, schüttelte Mawsons Hand energisch, um ihr zu zeigen, wie’s gemacht wurde.
»FreutmichSiekennenzulernen«, nuschelte Mawson, wobei sie angestrengt an Clare vorbeispähte, um zu sehen, ob es
in der Menge nicht jemanden gab, mit dem sich eine Unterhaltung mehr lohnte.
»Na, wie läuft Me Myself denn so?«, erkundigte sich Clare höflich.
»Nicht übel«, erwiderte Mawson nervös.
Clare warf Fiona einen misstrauischen Blick zu, den diese jedoch mit großen Unschuldsaugen erwiderte. Clare hatte trotzdem das Gefühl, dass Fiona sie nur deshalb herangewinkt hatte, um keine Solounterhaltung mit dieser misslaunigen Frau führen zu müssen. »Und was haben Sie gemacht, bevor Sie bei der Zeitschrift angefangen haben?«, erkundigte sich Clare ein wenig verzweifelt.
Mit dieser Frage brach ein Damm. Wie eine Flutwelle überschwemmte sie Toni Mawsons Geplapper über die Hochs und Tiefs (vorwiegend Tiefs) ihrer nicht so illustren Karriere: In Wirklichkeit wäre sie eine ernsthafte Journalistin, die schon für die besten Zeitungen gearbeitet hatte. Jedenfalls bis sie ihre Tätigkeit aufgab, um an ihrem Roman schreiben zu können, ein ehrgeiziges, esoterisches Werk, welches das Schicksal einer Familie über mehrere Generationen und Hunderte von Jahren hinweg schilderte, eine Familie, die unter einem seltenen genetischen Defekt litt, der das Sprechen unmöglich machte. Wie sich herausstellte, arbeitete Mawson nur deshalb bei Me Myself , um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, bis ein Cheflektor genug Weitblick bewies, um das Potenzial ihres Romans zu erkennen und ihn zu publizieren. Dann würden die Typen bei Me Myself nur noch eine Staubwolke sehen, versicherte sie, und sie könne sich um ein Schriftstellerstipendium bemühen, um den zweiten Teil ihrer geplanten Romantrilogie erschaffen zu können.
Mawson schwafelte gerade über die Semiotik der Stille in der postmodernen Literaturform, als Clare einen Blick auf ihre Armbanduhr warf und hörbar nach Luft rang.
»Ach du liebe Güte, es ist ja schon so spät. Fi, wir machen
uns besser auf den Weg. Tut mir schrecklich Leid, so abrupt aufbrechen zu müssen, Toni, aber wir haben gleich nach Mittag eine Konferenz und müssen uns wirklich beeilen.«
Nachdem sie sich durch die riesige Drehtür des Hotels gekämpft hatte, zwickte Clare Fiona in den Arm. »Wie unfair! Du hast mich bloß hergeholt, damit du’s nicht allein mit diesem Weib aushalten musst.«
»Na, dafür sind Freunde schließlich da«, bemerkte Fiona schadenfroh. »Im Übrigen hat dir das nicht geschadet. So eilig hast du’s noch nie gehabt, wieder ins Büro zu kommen.«
3. KAPITEL
Die Büroräume von Verve verrieten alles, was man über das Hochglanzmagazin wissen musste. Natürlich befand man sich in einem schicken Bürohaus mit Boutiquen im Erdgeschoss, gleich in einer Nebenstraße der eleganten Einkaufsmeile der Chapel Street, South Yarra. Die Büroräume selbst waren in arroganten Silber-, Crème- und Schwarztönen gehalten. Frische grüne Pflanzen aus einem erstaunlich echt wirkenden Gummimaterial zierten die Ecken. Ein betäubender Duft nach verschiedenen, einander widerstreitenden, teuren Parfums lag in der Luft.
Im Großraumbüro saßen die Angestellten an Schreibtischen in ihren Nischen, in denen sie nichts Persönliches aufhängen durften, weil der Colonel fürchtete, dass damit der Gesamteindruck der sündteuren Innenausstattung der New Yorker Designerin, die der Colonel alle zwei Jahre holte, um die Räume neu herrichten zu lassen, gestört würde.
Clare verabscheute die Zeitschrift, fand sie snobistisch, oberflächlich und eingebildet, wenn sie nicht gerade ernste und wichtige Themen trivialisierte, wie das Problem von Kinderarbeit in Entwicklungsländern oder Tierversuche im Dienste der kosmetischen Industrie. Sie behielt jedoch ihre Meinung für sich, wenn der Colonel in Hörweite war.
Der Colonel liebte Verve abgöttisch: Es war ihr Baby, ihr Geliebter, ihr Meisterwerk. Sie hatte sogar der »typischen Leserin« einen Namen gegeben. Sie nannte sie Suzanne (definitiv mit einem »z«), und sie schien immer zu wissen, was Suzanne wollte oder nicht wollte, Erklärungen, die sie meist in
demselben mystischen, Ehrfurcht gebietenden Ton abgab, den Moses benutzt haben musste, als er mit den zehn Geboten vom Berg Sinai hinunterstieg.
»Suzanne
Weitere Kostenlose Bücher