Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
paar Monaten hier angefangen hat.«
Daisy überlegte. »Weiß nicht, ob ich ihn schon mal gesehen hab.«
»Bestimmt. Du kommst doch fast jede Woche her«, meinte Carmen spitz. »Außerdem hast du sicher ganz genau gewusst, dass das eine Warze ist«, fügte sie vorwurfsvoll hinzu.
»Besser, man lässt’s anschauen«, intonierte Daisy fromm. »Leider bist du dieser Tage ja kaum zu erreichen. Zu Hause kann ich nicht mit dir reden. Und zum Essen gehen hast du auch schon seit Wochen keine Zeit mehr. Was bleibt mir also übrig? Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt …«
Carmen riss eine Schublade auf und fischte ein Mäppchen mit funkelnden Nagelzangen heraus. Dann beugte sie sich über Chump und begann, einen Nagel nach dem anderen abzuzwicken, wobei sie beruhigend auf ihn einsprach. Misstrauisch verfolgte Daisy ihren wippenden blonden Pferdeschwanz.
»Du hast doch noch nichts entschieden, oder?«
Carmen blickte auf. »Was meinst du?«
Daisy ging neben dem Hund in die Hocke. »Jetzt tu bitte nicht so. Weißt du mittlerweile, ob du mit diesem Ewan was anfangen willst oder weißt du’s nicht? Gar nicht zu reden von deiner fünfzehnjährigen Ehe.«
»Nein«, räumte Carmen ein und sank auf den Fußboden. »Nein, ich hab noch nichts entschieden.« Sie ließ die Hand mit der Nagelzange über ihr Knie hängen. Über Jeans und Sweatshirt trug sie einen weißen Kittel, der am Rücken zusammengebunden war.
»Ich fühle mich unheimlich stark zu dem Mann hingezogen«, fuhr sie halb flüsternd fort. »Krieg buchstäblich weiche Knie, wenn er ins Zimmer kommt. Wir flirten miteinander. Ich weiß, das klingt kindisch und lächerlich – aber es ist schön, nach so vielen Ehejahren mal wieder zu flirten. Vom Verstand her weiß ich genau, dass das, was ich vorhabe, falsch ist. Trotzdem bringe ich mich selbst andauernd in Situationen, wo ich in Versuchung gerate. Wir gehen was trinken, waren schon ein paar Mal essen. John habe ich gesagt, ich würde einen Auffrischungskurs in Ölmalerei im Gemeindezentrum machen.«
Daisy setzte sich ebenfalls auf ihren Knackarsch und schlang die Arme um die Knie.
»Ich gebe ja zu, das klingt ganz schön fies«, fuhr Carmen fort. »Den Ehemann anlügen. Sich heimlich davonstehlen, um in irgendeinem drittklassigen chinesischen Restaurant zu mampfen, mit einem Typen aus der Arbeit. Aber wie gesagt, ich sitze in der Falle. Das ist wie in einem von diesen Science-Fiction-Filmen, wo man unfreiwillig unter einem Bannstrahl in irgendeinen schwarzen Strudel gezogen wird.«
Daisy setzte eine zynische Miene auf. »Dann liegt das alles also jenseits deiner Kontrolle?«
»Ganz genau!«, rief Carmen und machte sich mit Vehemenz über Chumps Krallen her. »Das Gefühl habe ich jedenfalls. Als wäre ich mit John und den Kindern auf der Straße des Lebens schön gemütlich dahingewandert und würde plötzlich gekidnappt. Und ich weiß nicht mal, warum ausgerechnet von diesem Typ! Ich meine, er ist zu klein, hat
rote Haare und trägt Greenpeace-T-Shirts. Hat sogar mal’ne Zeit lang für Tierärzte ohne Grenzen gearbeitet, und alles, worüber er reden kann, sind Hühner und irgendwelche wilden Aktionen. Ich glaube nicht mal, dass ich ihn so besonders mag. O Mist!«
Letzteres sagte sie, weil sie zu ungestüm mit der Zange gewesen und Chump in die Pfote geschnitten hatte. Der arme Hund zog seine malträtierte Pfote mit einem Aufjaulen weg und das Blut spritzte aufs Linoleum.
»Sieht schlimmer aus, als es ist«, versicherte Carmen hastig und schwang sich auf die Füße. »Ein bisschen Jod und die Blutung hört sofort auf.«
Tatsächlich, sobald sie den Nagel mit einem in Jod getränkten Wattebausch betupft hatte, hörte es auf zu bluten. Dann überredete Carmen Chump sanft, sich auch noch die restlichen Krallen stutzen zu lassen.
Daisy, die eisern den Blick abgewandt gehalten hatte, sagte: »Vielleicht ist es mehr als nur dieser Mann. Vielleicht geht’s ja in Wahrheit um deine Ehe.«
»Meine Ehe ist vollkommen in Ordnung. Sie war es und wird es auch bleiben. Wenn ich Ewan nicht kennen gelernt hätte, gäbe es keinerlei Zoff.«
»Dann empfindest du deine Ehe also gar nicht als – langweilig? Ich meine, vielleicht bist ja nur auf der Suche nach ein bisschen Aufregung und hast dich nur deshalb in den Typen verknallt.«
Carmen schnitt die Nägel fertig und griff in den Leckerli-Vorrat nach einem Stück Trockenleber für Chump. Anschließend lehnte sie sich neben Daisy an die Wand.
»Aufregung? Wohl
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