Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
John gesagt, dass ich ihn nicht mehr liebe und dass es jemand anderen gibt und ich dieses Doppelleben einfach nicht mehr ertrage. Irgend so einen melodramatischen Mist eben. Hab den Brief auf der Ablage in der Küche hinterlassen.«
»Na, das ist ja nicht weiter schlimm. Wir setzen uns jetzt gleich in mein Auto, fahren zu dir, zerreißen den Brief und packen deine Sachen wieder aus. Er wird nie was erfahren.«
Carmen sah total niedergeschlagen aus. »Aber er hat ihn wahrscheinlich schon gelesen. Seit er nicht weit von zu Hause arbeitet, kommt er öfters mal mittags vorbei. Wahrscheinlich steht er gerade in der Küche, überbackt sich einen Käsetoast und liest den Brief.«
»Das kannst du nicht wissen. Vielleicht verspätet er sich ja. Oder er hat beschlossen, mit dem Boss irgendwo was essen zu gehen. Wir müssen einfach so schnell wie möglich hinfahren.«
Abwechselnd schleppten sie den Koffer – Carmen hatte offenbar ihre gesamte Garderobe eingepackt und den Werkzeugkasten noch dazu, wie’s schien – zum Parkplatz des Einkaufscenters. Daisy, die in ihrem Hormon-High keine Furcht kannte, raste wie besessen zu Carmens Haus in
French Forest. Nicht einmal Jacques Villeneuve hätte es besser hingekriegt, dachte sie, zumindest nicht in einem Mini.
»O nein«, keuchte Carmen, als sie sich dem Haus näherten. »Da ist Johns Auto.«
Ein makellos sauberer, konservativer weißer Wagen war in der Auffahrt geparkt. Daisy überlegte fieberhaft, während sie aufs Gas trat und am Haus vorbeifuhr.
»Es ist immer noch möglich, dass er den Brief noch gar nicht geöffnet hat. Aber er darf dich nicht mit dem verflixten Koffer sehen. Ich fahre um die Ecke und setze dich irgendwo ab; dann pese ich zurück und versuch, ihn abzufangen, falls er den Brief noch nicht entdeckt hat. Falls doch, muss ich mir irgendwas ausdenken. Versteck du dich derweil hinter einem Busch. Wäre wirklich das Allerletzte, wenn er dich auf dem Rückweg zur Arbeit irgendwo am Straßenrand samt deinem Koffer erblicken würde.«
Nachdem sie die hysterisch schluchzende Carmen bei einem kleinen Park aus dem Auto geschubst hatte, holte Daisy tief Luft und fuhr rasch zu Carmens und Johns schmuckem Backsteinhaus zurück.
»Jetzt bloß nichts vermasseln«, murmelte Daisy vor sich hin, während sie die Auffahrt hinaufmarschierte.
Als sie klingelte, dauerte es eine ganze Weile, bis John an die Tür kam. Sein Gesicht über dem adretten dunklen Anzug und der modischen Mickey-Maus-Krawatte, mit der er seinen Lifestyle zeigen wollte, war eingefallen, die übliche prahlerische Fröhlichkeit wie weggeblasen. Sein sonst immer perfekt frisierter blonder Haarschopf wirkte zerzaust. Auf seinen Wangen tanzten hektische rote Flecken, und selbst seine Augen waren rot gerändert.
Daisy erfasste sofort das ganze Schlamassel.
»Carmen hat mich verlassen«, stieß er benommen hervor.
»Himmel, du hast doch nicht etwa den Brief gelesen, oder?«
»Sicher hab ich das. Es stand ja mein Name drauf.«
»Aber es war nicht so gemeint! Herrgott, was ist da bloß passiert? Ich kann alles erklären.« Daisy ging ihm voraus ins Wohnzimmer, mehr um Zeit zu gewinnen, als aus irgendeinem anderen Grund. Ihr fiebriges Gehirn vollführte Wirbel wie eine von diesen olympischen Eiskunstläuferinnen beim Drehen einer besonders beeindruckenden Pirouette.
John stolperte hinter ihr her.
Daisy zerrte ihn neben sich auf eins der Lederimitatsofas – so praktisch, wenn man Kinder hat – ein Wisch und alles sauber – mit der Beteuerung: »Der Brief war überhaupt nicht für dich bestimmt.«
»Sie sagt, sie verlässt mich. Sie liebt mich nicht mehr, und da ist jemand anders, und sie kommt nicht mehr zurück, und ich soll bitte die Meerschweinchen und die Ratte füttern«, stammelte John, der vollkommen weggetreten zu sein schien.
»Aber die Sache ist die«, begann Daisy, die sich verzweifelt das Hirn nach einer plausiblen Erklärung zermarterte, »die Sache ist die – es ist gar kein richtiger Brief. Das gehört alles zu dem Spiel.«
»Spiel?«, wiederholte John verständnislos.
»Ja, eine Art Geheimspiel. Ein interner Witz der drei Stooges. Carmen, Doris und ich spielen es jedes Jahr, wie – wie eine Art Frühlingserwachen. Ich weiß, es klingt blöd, aber es fing alles auf der Uni an, als wir uns ein wenig aufmuntern wollten, wegen dem ganzen Prüfungsstress und so … seitdem machen wir’s jedes Jahr.«
»Was, ihr verlasst eure Ehemänner?«, fuhr John fort.
»Nein, nein«, brabbelte
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