Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
gehen?«, schlug Nell vor. »Also, ich könnte direkt jemanden umbringen für eine Tasse. Er wird jetzt ein halbes Stündchen schlafen.«
»Gern. Wo ist denn die Cafeteria?«
Nell lächelte. »Hm, leider verkneifen sie sich städtischen Schnickschnack hier. Dies ist nur ein kleines Buschkrankenhaus. Aber im Besuchszimmer gibt’s einen Kocher und Teebeutel.«
Nell führte Daisy die Linoleumkorridore entlang bis zu einem freudlosen Kabuff. An einer Wand, Waschbecken und Kühlschrank gegenüber, standen zwei klotzige gelbe Sofas mit Spiralmuster, bei denen einen allein schon das
Grausen heimsuchte. Niemand sonst war im Raum. Am Kühlschrank klebte ein Zettel, auf dem stand, »Bitte alle Lebensmittel sorgfältig beschriften, oder …« Oder was?, dachte Daisy.
Sie nahm zwei Teebeutel und machte Wasser heiß, während Nell auf ein Schaumstoffsofa sank und die Augen schloss. Als Daisy zwei Tassen auf dem Plastiktischchen vor dem Sofa abstellte, blickte Nell auf.
»Danke, dass du noch mal gekommen bist«, sagte sie. »Tut mir Leid, dass ich so in Panik geriet. Es war schon spät und ich so müde. Aber jetzt geht’s mir wieder prima, und Rob scheint’s auch allmählich zu packen. Aber ich bin froh, dass du da bist.«
Daisy nippte an ihrem Tee, der ebenso viel Geschmack hatte wie die fade Packung, fand sie. Vielleicht sogar weniger. Angestrengt verdrängte sie, was sie alles aufgegeben hatte, um herzukommen. Wenn sie daran dachte, würde sie auf diesem Schaumstoffungetüm zusammenbrechen und sich ein paar Stunden lang die Augen aus dem Kopf heulen.
»Ich finde, er ist jetzt schon ganz schön lange hier, Mama«, sagte sie, ihre Gedanken wieder auf Rob lenkend. »Glaubst du nicht, er sollte in ein größeres Krankenhaus verlegt werden?«
»Sie sagen, sie tun alles Menschenmögliche, und woanders könnte man auch nicht mehr in die Wege leiten. Es geht einfach darum, das richtige Antibiotikum zu finden – eins, das wirkt, sagen die Ärzte.«
»Und was wird inzwischen aus der Chemotherapie und der Dialyse?«
»Mit der Chemo mussten sie aufhören, aber angeblich spielt das auf lange Hinsicht überhaupt keine Rolle. Die Dialyse machen sie weiterhin. Es ging ihm wirklich gut, bevor er sich diese blöde Lungenentzündung einfing.«
»Ich hätte ihn fast nicht wiedererkannt«, gestand Daisy.
Nell drückte ihre Styroportasse, dass es knackte. »Er sieht wirklich nicht wie unser alter Rob aus, oder?«
»Der Arme muss ja allmählich Depressionen kriegen. Hat man dir schon gesagt, wie lange dieses Antikapitel noch dauern würde?«
»Nein, eigentlich nicht. Zuletzt meinte der Arzt, dass er das Wasser aus seinen Lungen rauskriegen und ein paar Tests machen muss, um herauszufinden, welches Medikament er braucht. Danach geht’s sicher aufwärts mit ihm.«
Daisy trank ihren Tee aus und warf den Becher dann schön brav in den Schwingeimer, über dem das Schild hing: »Wenn alle zusammenhelfen, bleibt es hier schön sauber und ordentlich. Damit sind auch SIE gemeint!«Sie wandte sich ab. »Bist du dir wirklich sicher, dass er in der Stadt nicht besser aufgehoben wäre?«, fragte sie noch einmal.
Nell zuckte die Schultern. »Da würde er dieselben Medikamente kriegen. Und zumindest hat er hier ein Zimmer für sich und sieht gelegentlich jemanden, den er kennt … auch wenn’s nur diese Wichtigtuer aus der Gemeinde sind.«
Daisy grinste. »Na gut. Dann kannst du wenigstens zuhause wohnen und ein Auge auf die Farm haben – auch nützlich.«
»Allerdings! Dein Tantchen Marie ist ein wundervoller Mensch, und ich liebe sie von ganzem Herzen, aber am Ende wären wir uns fast an die Gurgel gegangen. Ich hab andauernd vorgeschlagen, was zu kochen, und sie hat gemeint, tolle Idee, sicher hätte sie hier noch das eine oder andere Verwendbare … Wir sind vielleicht Schwestern, aber vom Temperament her einfach unvereinbar.« Nell warf einen Blick auf ihre Uhr mit dem riesigen Zifferblatt, die sie von Daisy geschenkt bekommen hatte, nachdem Nell klagte, bald würde sie eine Lesebrille brauchen. »Lass uns zurückgehen, er wird bald aufwachen.«
Bis zum späten Abend blieben sie. Rückblickend konnte
Daisy sich nicht erinnern, irgendetwas Bestimmtes getan zu haben; trotzdem war sie die ganze Zeit über beschäftigt gewesen – vorlesen, Robs geschwollene Füße massieren, ihn auf Wunsch aufrichten oder flacher betten, nach einer Schwester suchen, wenn er die Bettpfanne brauchte. Sämtliche Kabel und Schnüre hingen neben seinem Bett;
Weitere Kostenlose Bücher