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Sushi und Kartoffelbrei Ticktack

Sushi und Kartoffelbrei Ticktack

Titel: Sushi und Kartoffelbrei Ticktack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freeman Jane
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Person, sie gehörte zur Kirchengemeinde und war wohl gerade dabei, ihre gute Tat für den Tag zu vollbringen, um ein paar Punkte beim Herrn da oben zu sammeln – oder beim Hausfrauenverein, was immer ihr wichtiger erschien.
    »Teezeit, Rob«, flötete sie und wedelte mit einem roten Plastiktablett, als wäre es das Highlight des Tages. Was hatten die meisten der Patienten auch sonst zu erwarten …
    Nell sprang auf, um ihr das Tablett abzunehmen. »Vielen Dank, Joyce.«
    »Wie geht’s ihm?«, erkundigte sich Joyce, die zu dem grünen Kittel der Aushilfskräfte eine aschblonde Perücke trug. Daisy fragte sich, wieso eine Frau um die Fünfzig wohl eine Perücke aufsetzte – hatte sie vielleicht eine Chemotherapie hinter sich? Oder glaubte sie, die Perücke wäre eine gute Alternative zu dem spärlichen Gewälle ihres eigenen Haars darunter? Sie sprach leise, wie um zu vermeiden, dass Rob sie hörte – obwohl ihre Stimme bis in die entfernteste Zimmerecke drang.
    »Ich glaube, Rob geht’s heute ein bisschen besser, was meinst du Rob?« Nell, die Rob in das Gespräch mit einbeziehen wollte, wandte sich zu ihm um.
    »’N bisschen«, nuschelte Rob unter der Maske.
    »Na, dann wollen wir hoffen, dass er auch ein bisschen was von diesem köstlichen Abendessen runterkriegt«, flötete Joyce. »Es gibt Fleischauflauf, eins meiner Lieblingsgerichte! Und Erdbeerpudding als Nachspeise. Ich komme nachher noch mal, um das Tablett wieder abzuholen.«
    Mit einem fröhlichen Winken stob sie mit ihrem Wägelchen
davon, um ihre Botschaft von Brüderlichkeit und guter Laune auch auf dem Rest der Station zu verbreiten.
    Nell klappte die Tischplatte herunter und stellte das Tablett vor Rob hin.
    »Meinst du, du kannst was davon essen?«, fragte sie zweifelnd.
    Rob schüttelte verzagt den Kopf. »Joghurt«, murmelte er.
    »Also gut, dann einen Joghurt«, sagte Nell. An Daisy gewandt fügte sie hinzu: »Das ist so ungefähr das Einzige, was er noch mag. Abgesehen von ein bisschen Haferbrei zum Frühstück. Ich hebe immer ein paar im Besucherkühlschrank auf – nur damit du Bescheid weißt.«
    Sie ging, und Daisy wurde es auf einmal unbehaglich, so allein mit Rob. Seine hellen Augen waren die Gleichen, aber dieses graue, eingefallene Gesicht wirkte fremd.
    »Warum willst du nicht essen?«, fragte sie schließlich.
    Rob lüftete die an Gummibändern um seinen Kopf befestigte Sauerstoffmaske. »Kann nicht schlucken!«
    »Was meinst du, du kannst nicht schlucken? Tut es weh? Ist der Hals zu? Kriegst du keine Luft, wenn du isst?«
    Rob war eingekesselt von so viel Fragen, die ihn umschwirrten wie Stubenfliegen. »Kann nicht schlucken«, wiederholte er stur und schob die Maske wieder auf ihren Platz.
    Daisy wusste nicht, wie sie in ihn hätte dringen sollen. Man konnte wohl kaum anfangen, den eigenen Vater wie ein störrisches Kind zu behandeln, das sich weigerte, die richtige Antwort zu geben. Also saßen sie stumm da, bis Nell zurückkam und Rob wie ein Baby mit dem Joghurt fütterte. Insgeheim war Daisy entsetzt. Warum hielt er nicht mal mehr seinen Löffel selbst? Ob man das etwa auch von ihr erwartete, ihn zu füttern? Bei diesem Gedanken wollte sie schier ausrasten. Ohne sich dessen bewusst zu sein, glitt ihre Hand zu ihrem prallen Bauch, der kundtat, dass die
Eier reif zur Befruchtung waren – obwohl das nun nicht mehr geschehen würde. Heimlich streichelte sie ihn, wie um ihn über die Verschwendung hinwegzutrösten, während sie weiterhin gespielt munter übers Wetter und ähnlich Belangloses plauderte.
    Rob schaffte gerade den halben Becher, bevor er, anscheinend erschöpft, in die Kissen zurücksank.
    »Das reicht«, krächzte er.
    »Bist du sicher?«, fragte Nell besorgt. »Gestern hast du zwei Drittel geschafft. Jetzt ist es gerade mal die Hälfte. Wie willst du wieder gesund werden, wenn du nicht isst?«
    Rob brummte etwas, gab dann jedoch nach. »Meinetwegen, noch einen Löffel, aber mehr nicht. Stell’s wieder zurück in den Kühlschrank.«
    »Ich glaube, wir können es uns leisten, beim nächsten Mal einen neuen aufzumachen«, meinte Nell großzügig.
    »Heb’s für später auf«, beharrte Rob.
    Nach drei weiteren Löffeln döste er ein. Daisy beugte sich vor, um ihm die Sauerstoffmaske zurechtzurücken, wobei sie ein wenig linkisch herumfummelte, bis sie die für ihn erträglichste Position fand. Er hatte bereits eine offene Stelle auf dem Nasenrücken, wo die Maske scheuerte.
    »Sollen wir kurz einen Tee trinken

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