Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
alkoholarmen Bier. »Die alte Kuh muss einfach hin und wieder jemandem eins über den Schädel hauen. Das ist ihre Art, sich fit zu halten. Mir macht das nichts aus, obwohl ich jetzt erneut diese Frauen aufsuchen und bitten muss, uns einen Blick unter ihre Yves-St.-Laurent-Lingerie werfen zu lassen. Das journalistische Äquivalent für ›Zeig uns deine Titten‹.«
Isobel errötete. Fiona war eine so nette Person, dachte sie, aber auch so – frei heraus. »Ich muss sagen, Sie sind wirklich gut damit fertig geworden«, erklärte sie aufrichtig. »Ich an Ihrer Stelle hätte mich heulend unter den Tisch verkrochen.«
»Ich will Ihnen mal ein Geheimnis anvertrauen.« Fiona beugte sich verschwörerisch zu ihr über den Tisch. »Auf die Art überlebe ich in diesem Haifischbecken. Man tut so, als ob. Ich stelle mir vor, die Art von Person zu sein, die ich in einer kritischen Situation sein möchte. Manchmal sage ich mir beispielsweise: ›Also, wie würde sich Germaine Greer in einer solchen Situation verhalten?‹, oder die Queen oder Barbara Streisand oder sonst wer. Dann tue ich, als wäre ich diese Person. Funktioniert immer. Oder hilft zumindest«, fügte sie hinzu.
Isobel war fasziniert. »Und was haben Sie sich in der Konferenz gedacht?«, erkundigte sie sich neugierig.
»Nun, ich hab mir gedacht: ›Was würde Jane Austen tun?‹ Ich kam zu dem Schluss, dass sie wahrscheinlich äußerlich höflich bleiben, innerlich jedoch ein paar ätzende Bemerkungen
loslassen würde, in der Art, dass der Colonel eines Tages vor Schreck tot umfallen wird, wenn sie mal zufällig einen Blick in den Spiegel wirft. Also hab ich einfach getan, als wäre ich äußerlich ruhig, aber innerlich belustigt.«
Isobel überlegte, wie sie diese Methode auf ihr eigenes Leben übertragen könnte. Es gab weiß Gott genug Situationen, denen sie sich nicht gewachsen fühlte und in denen sie wünschte, jemand anders könnte die Dinge für sie regeln. »Dann soll ich also einfach so tun, als wäre ich eine Kummerkastentante?«, fragte sie zögernd.
»Genau«, erwiderte Fiona triumphierend. »Oder noch besser: Tun Sie, als wären Sie eine Expertin auf dem Gebiet. Spielen Sie ein wenig mit der Rolle herum, machen Sie sich einen Spaß. Braucht auch nicht mehr Fantasie als die Gute-Nacht-Geschichten, die Sie Ihren Kindern vorm Schlafengehen erzählen.«
Isobel dachte, sie könne das ja mal probieren. Obwohl sie, wenn sie ehrlich war, ziemlich langweilige Gute-Nacht-Geschichten erzählte. Clares waren um Längen besser.
»Also hier trifft man heutzutage die Männer«, meinte sie, sich umblickend. »Sind ja wahnsinnig viele da, und alle scheinen sie die Leine ausgeworfen zu haben.«
»Nun, das kann man, äh …«, unterbrach sich Fiona. »Also, kommt drauf an, wie viel Energie man hat.«
»Energie?«, erkundigte sich Isobel, die sich fragte, ob hier vielleicht auch Volkstänze auf dem Programm standen oder irgendwelche anderen physischen Aktivitäten. Sie hoffte nicht; ihre Füße brachten sie sowieso schon fast um.
»Nun, man braucht schon ein bisschen Energie für die ganze Anmacherei«, erklärte Fiona. »Zunächst mal muss man wissen, was man mit einem Wildfremden, mit dem man rein gar nichts gemeinsam hat, reden soll. Dann soll man dabei noch flirten und toll aussehen – und auch noch beurteilen, ob er eine Niete ist oder nicht. Ganz schön hartes Stück Arbeit.«
Sie riss ein Päckchen Erdnüsse mit ihren starken weißen Zähnen auf. »Ich glaub nicht, dass ich mir das je noch mal antun werde. Verabredungen, das ganze Spiel, Sie wissen schon. Ich meine, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, macht einen der Gedanke, das alles wiederholen zu müssen, einfach nur müde. Sich sein Geschwätz über seine schreckliche Mutter anhören zu müssen oder seinen autoritären Vater oder den abscheulichen Kerl, den seine Schwester geheiratet hat. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie die Zukunft aussehen würde: stundenlanges, endloses Gedönse über seine liebe Familie oder diese anstrengenden, angespannten Abende bei seiner Schwester. Und was bekommt man dafür? Ein paar Monate herrlichen Sex und dann jemanden, der einem nachts das Bett wärmt. Den Sex krieg ich anderswo ebenso gut her, und meine Hündchen und Mums selbst gestrickte Socken halten mich genauso gut warm.«
»Aber geht es nicht vielmehr darum, jemanden zu vertrauen?«, fragte Isobel. »Denn am Ende schenkt man seine Loyalität doch dem Partner oder Geliebten. Das sind die
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