Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
sich Quasimodos Brüste nicht vorstellen müssen, sie will sie sehen. Sie will delikat erschaudern, und dann will sie sehen, was für wundervolle Ergebnisse sie erzielen kann, wenn sie einfach Verves Fahrplan für ›Modisch wiederhergestellte Brüste‹ folgt. Also, ich will Fotos sehen.«
Fiona murmelte etwas Zustimmendes. (Isobel konnte schwören, das Wort »absolut« herausgehört zu haben.)
»Gut, also sehen Sie zu, dass Sie das hinkriegen. Das wär’s dann für diese Woche. Wenn ihr also genug von meinen Sandwiches in euch reingestopft habt, dann könnt ihr euch ja wieder an die Arbeit machen. Ach, da wäre noch etwas – die Testseite für die kommende Ausgabe.«
Isobel nickte; sie verfolgte diese Seite sehr interessiert, eine Art Mode- oder Schönheitstestseite, bei der neu auf den Markt gekommene Artikel mit alten (aber fast identischen) verglichen wurden. Das konnte alles umfassen, von Duftkerzen bis Designer-Sportmode, und natürlich war klar, dass der neue Artikel den alten bei weitem übertraf. V erve war ein leidenschaftlicher Verfechter der Konsumgesellschaft und des Rechts der Konsumenten auf das Neueste vom Neuen.
»Also, wir brauchen einen Tester«, erklärte der Colonel. »Diesmal geht’s um was Essbares. Das hier.« Sie hielt eine Plastiktüte mit ein paar verschrumpelten, schwarzen Stangen hoch. »Vanilleschoten«, verkündete sie triumphierend, »rein biologisch angebaut und handgepflückt von einem Schweigeorden von Nonnen aus Südfrankreich. Brandneu, kosten ein Vermögen, und Suzanne wird sie einfach göttlich finden – es wird das Gesprächsthema auf ihrer nächsten Dinnerparty sein. Ich brauche jemanden, der ein paar andere Schotenmarken zusammensucht, ein paar Speisen damit kocht und dann zu dem Schluss kommt, dass die Schoten der Nonnen einfach der Renner sind. Mir schwebt eine Schlagzeile wie ›Vanille
vom Himmel‹ vor.« Sie lächelte bescheiden. »Nun, wie wär’s mit einem Freiwilligen?«
Eine längere Pause trat ein, während derer jeder geflissentlich auf seine Papiere starrte. Niemand hatte Lust, seine Zeit mit der Testseite zu verschwenden, wo man nicht einmal mit Namen erwähnt wurde. Clare war das Kunststück gelungen, dieser Seite während ihrer gesamten Laufbahn bei Verve aus dem Weg zu gehen. »Ich bin Journalistin. Ich sehe nicht ein, wieso ich mir den Kopf über verschiedene Arten von Sofaüberwürfen zerbrechen sollte«, hatte sie einmal geschnaubt.
Der Colonel warf einen frostigen Blick in die Runde. »Dann wären wir also wieder so weit. Ihr wisst, dass ich auch einfach jemanden dafür bestimmen kann, oder es meldet sich ein Freiwilliger. Es liegt an euch.«
Isobel merkte zu ihrem Entsetzen, wie ihr Arm plötzlich wie von selbst hochschoss, als wäre sie dreizehn und säße noch in der siebten Klasse.
»Ich kann’s machen, Mrs. Hogan«, stammelte sie.
»Wundervoll. Das möchte ich sehen, Hand hoch, Schultern am Rad. Ausgezeichnet. Hier sind die Schoten der Nonnen, und bei Gina können Sie sich das nötige Kleingeld für die anderen Schotensorten abholen. Und denken Sie daran, Isobel, die Nonnen müssen als Sieger hervorgehen. Nun, da das geklärt ist, können wir alle wieder an die Arbeit gehen.«
Isobel eilte aus dem Konferenzraum, froh sich wieder ans Fotokopieren machen zu können, da tauchte unversehens der Colonel neben ihr auf.
»Isobel, auf einen Augenblick?«
Mit diesen Worten schwenkte die Chefredakteurin, ohne auf eine Antwort zu warten, in ihr Büro, sodass Isobel nichts anderes übrig blieb, als ihr wie ein armes Sünderlein zu folgen.
Der Colonel thronte hinter einem riesigen antiken Schreibtisch mit einer altmodischen Lederbespannung und empfing dort, ganz Herrscherin, ihre Untertanen. Sie saß auf der Kante
eines beeindruckenden Sessels mit einer grünen Lederpolsterung, die auf den Lehnen bereits Löcher aufwies, wo sich über die Jahre wohl ihre spitzen Ellbogen hineingebohrt hatten. In einem derart großen Sitzmöbel wirkte ihre verhutzelte kleine Gestalt noch verschrumpelter. Sie trug wie jeden Tag ihre Arbeitsuniform, ein graues Armanikostüm mit einem Hauch von Weiß um den Kragen, wie von Coco Chanel empfohlen.
Während sie mit einem übergroßen Kugelschreiber, der in ihren faltigen kleinen Krallen seltsam bizarr wirkte, herumspielte, strahlte sie Isobel mit einem Lächeln an, das sie für Gelegenheiten reservierte, die sie insgeheim als »Personal-Gemütspflege« bezeichnete.
Isobel jagte es eine Heidenangst ein.
»Also,
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