Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
Clare, weil sie ihm nichts von ihren Plänen erzählt hatte, dachte Isobel. Verständlich. Aber dieser Abend gäbe ihr zumindest die Gelegenheit, noch über etwas anderes zu schreiben als nur über die Arbeit bei Verve und die einsamen
Abende in Clares Apartment. Sie fürchtete allmählich, dass sie am Ende des Unternehmens nichts anderes vorzubringen hätte als eine Litanei von Klagen.
Sie fragte sich, was die unberechenbare Abendbrise wohl mit ihrer Frisur anstellte. Sie hatte Stunden damit zugebracht, einen perfekten Nackenknoten zu schlingen. Sich für dieses »Date« bereitzumachen war eine Offenbarung für sich gewesen, dachte sie, während sie neben Leo hertrippelte. Sie hatte festgestellt, dass es Jahre her war, seit sie sich das letzte Mal für einen Mann aufgedonnert hatte. Prompt hatte sie sich zu stark geschminkt und das Ganze in letzter Minute wieder weggewischt. Danach zerbrach sie sich den Kopf darüber, was sie um Gottes willen anziehen sollte. Und sollte sie die Haare lieber aufstecken oder offen lassen? Sie probierte beides. Mehrmals. Danach saß sie auf der Couch und wartete darauf, dass es an der Haustür klingelte. Sie war so nervös gewesen, dass sie weder lesen noch sich auf die Abendnachrichten im Fernsehen hatte konzentrieren können.
Es ging, wie immer an einem Freitagabend, recht lebhaft auf den Straßen zu, als Leo schlagartig zum Leben erwachte.
»Ja, das ist es«, sagte er. »Magst du malayische Küche?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, steuerte er sie in ein überfülltes Speiselokal, aus dem moderne Jazzmusik bis auf die Straße hinausplärrte. Als sie sich zu einem freien Tisch durchgekämpft hatten, überlegte Isobel schon wieder fieberhaft, was sie sagen sollte. Sie versuchte, ihm ein wenig mehr über den Sister-Pact zu erzählen, doch nun schien Leo nicht mehr allzu interessiert zu sein.
Dennoch fühlte sie sich aus irgendeinem Grund verpflichtet, diesen Mann zu unterhalten. Sie gingen schließlich zusammen aus, und unbewusst war Isobel stets der Meinung gewesen, dass es die Aufgabe der Frau war, dafür zu sorgen, dass das Gespräch in Gang blieb.
Natürlich war es reichlich lange her, seit sie das letzte Mal
die Scheherezade hatte spielen müssen. Mit Phil war alles so einfach. Wenn sie mal zu zweit abends ausgingen (was selten genug vorkam), dann unterhielten sie sich vollkommen ungezwungen – tauschten den neuesten Klatsch über gemeinsame Freunde aus, redeten über die Kinder, erinnerten sich lachend an die alten Zeiten vor zehn Jahren und flüsterten einander Bemerkungen über die anderen Leute im Restaurant zu. Das alles war für Isobel genauso entspannend wie ein Treffen mit einer Freundin. Tatsächlich hätten sie wahrscheinlich ebenso gut dasitzen und einfach zufrieden schweigen können, wenn sie selbst nicht so viel Wert auf eine Unterhaltung gelegt hätte, weil sie nicht wirken wollte wie eins dieser traurigen Pärchen, das einander nichts mehr zu sagen hatte.
Und jetzt hatte sie das Gefühl, diesen Fremden unterhalten zu müssen. Sie hatte Leo nicht sehr gemocht, als Clare ihn an einem Wochenende zum Dinner mitgebracht hatte. Für ihren Geschmack war er zu aufgeblasen, zu sehr von sich eingenommen, machte keinen Hehl aus der Tatsache, dass sein Leben das interessanteste überhaupt war. Und Leute, die Phil gelangweilt abtaten, sobald sie hörten, dass er »bloß« ein Steuerberater war, konnte sie ohnehin nicht verzeihen. Das rief bei ihr blitzartig einen wütenden Beschützerinstinkt hervor. Er war nicht nur Steuerberater, sagte sie sich, er war ein – ein sehr bedeutender Steuerberater, der mit vielen großen, wichtigen Firmen zu tun hatte.
Außerdem war sie überzeugt davon, dass Clares neuer Freund sie ausgesprochen langweilig fand, eine Hausfrau und Mutter von zwei Kindern, die, wenn man sie fragte, was für sie ein großartiger Film war, wahrscheinlich einen nannte, in dem jemand wie Meg Ryan mitspielte. Ach, vielleicht war das ja nur wieder ihre übliche Paranoia. Clare tanzte immer wieder mit Männern an, die Furcht einflößende Jobs hatten und mindestens zehn Minuten lang Vorträge halten konnten, ohne dabei ein einziges Wort, das weniger als drei Silben
hatte, zu benutzen. Isobel kam sich dann klein und unbedeutend vor.
Aber wie ein altes Zirkuspferd, das das altvertraute Signal hörte, merkte sie, wie sie lächelte und ihn drängte, ihr doch alles über seine Filmprojekte zu erzählen. Vor Jahren hatte sie einmal in einer Frauenzeitschrift
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