Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
plötzlich verkündete: »He, Luna Park ist offen. Willst du hin?«
Isobel, die sich insgeheim danach sehnte, nach Hause und
ins Bett zu kommen, fürchtete, es würde spießig aussehen, wenn sie jetzt ablehnte.
»Na klar!«, rief sie daher und versuchte, ihrer Stimme einen sorglosen Überschwang zu verleihen.
Es musste über zwanzig Jahre her sein, seit sie zum letzten Mal in dem Vergnügungspark gewesen war. Aber sie hätte schwören können, dass sich in der Zwischenzeit nichts verändert hatte. Alles war noch genauso heruntergekommen und schmuddelig wie früher. Und es roch nach wie vor nach fettigen Hamburgern, Zuckerwatte und Schweiß. Die kitschigen Lichterketten, die zwischen den Strommasten hingen, sollten dem Ganzen wohl so etwas wie eine festliche Atmosphäre verleihen. Was nicht gelang. Die spärliche Menschenmenge schien ausschließlich aus Drogendealern und ihrer Kundschaft zu bestehen, die sich die vielen dunklen Ecken zu Nutze machten. Entweder das oder mürrisch dreinblickende Teenagerpärchen, die Mädchen in durchsichtigen Trägertops und ultrakurzen Miniröckchen, die Jungen mit dünnen Pferdeschwänzen und Springerstiefeln.
Leo zerrte sie schnurstracks zum »Big Dipper«. Isobel folgte ihm scheinbar willig. Aber in Wahrheit verabscheute sie Achterbahnen wie die Pest.
Zunächst einmal hatte sie eine Todesangst davor, dass die Wagons von den Schienen springen und sie alle dabei schnurstracks in den Himmel katapultiert wurden. Dann war da ihre Befürchtung, dass sie, selbst wenn es zu keinem tödlichen Unfall kam, schreien oder heulen oder sich vor Angst übergeben könnte. Sie war noch nie sehr mutig gewesen, ganz im Gegensatz zu Clare, die schon als Kind gierig auf die längste Rutsche oder das schnellste Pony gewesen war, während Isobel am liebsten in Ruhe gelassen sein wollte, um die Nase in ein Buch stecken zu können.
Aber das konnte sie Leo gegenüber keinesfalls zugeben. Er sah entspannt und cool aus, mit gerade der richtigen Prise
Leichtsinn und Übergeschnapptheit, die sich für einen selbstbewussten jungen Drehbuchautor mit viel Selbstachtung gehörte.
Er drehte sich zu ihr herum und grinste ihr aufmunternd zu. »Also los geht’s«, sagte er und ergriff ihre verschwitzte Hand mit einer charmanten, kindlichen Schlichtheit.
Isobel fragte sich, ob sie ein paar letzte mütterliche Ratschläge an Ellie und Alex auf die Rückseite ihres Tickets kritzeln sollte. Das Problem war nur, ihr fiel nichts ein, außer vielleicht »Lasst euch nie dazu überreden, in eine alte, wacklige, erschreckend heruntergekommene Achterbahn zu steigen«.
Mit einem Ruck ging es los, und Isobel klammerte sich krampfhaft mit der einen Hand an die Sicherheitsstange vor ihr und mit der anderen an Leo. Während der Wagon immer schneller wurde, löste sich ihr Haarknoten auf, sodass ihr langes Haar wie eine seidige, dunkle Fahne hinter ihr herflatterte. Rumpelnd erreichten sie den Grat der ersten Steigung, und sie konnte die Lichter des Vergnügungsparks unter sich erkennen, sowie die onyxschwarze Fläche des nahen Meeres. Dann überwand der Wagon mit einem Ruck den Gipfel und stürzte sich ins Tal, und sie konnte nichts mehr fühlen, außer einer rasenden Geschwindigkeit und blankem Entsetzen.
Als sie am Ende der wilden Fahrt langsam und ruckelnd ausrollten, blickte sie Leo mit leuchtendem Gesicht an.
»Das war einfach unglaublich! So was hab ich seit Jahren nicht mehr gemacht. Ich kann’s kaum glauben, aber es hat mir riesig gefallen«, erklärte sie begeistert.
»Das hab ich mir schon gedacht – so wie du geschrien hast«, erwiderte er lächelnd. »Du hättest mir fast die Hand abgequetscht.«
Sie kletterte zittrig aus dem Wagen, und Leo kaufte ihr Zuckerwatte als zweite Nachspeise, was sie zum Lachen brachte, während sie es aß. Es war einfach zu albern. Dann setzten
sie sich unter die Markise eines schmuddeligen Caféstands und tranken einen starken Cappuccino.
»Also wolltest du vorhin im Restaurant wissen, was meine Absichten in Bezug auf Clare sind? Oder willst du weiter auf den Busch klopfen?« Leo beugte sich mit spöttisch funkelnden Augen zu ihr.
Isobel dachte, dass er jetzt irgendwie richtig freundlich war. Als hätte das gemeinsam überstandene Abenteuer mit der Achterbahn sie zu plötzlichen Freunden gemacht. Er zog sie tatsächlich auf.
»Natürlich nicht«, entgegnete Isobel. »Mich interessiert nur, was Clare will, nicht was du willst.«
»Im Moment würde ich sagen, Clare steckt in
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