Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
nicht wahr, Jack? Ich konnte mir meine Zeit immer frei einteilen und für euch Mädchen da sein, wenn ihr mich brauchtet. Natürlich halte ich es für richtig, dass du bei Ellie und dem Baby bleibst. Es wäre doch dumm, in irgendeinem Krankenhaus zu schuften und von dort Gott weiß was für Bazillen heimzubringen.«
»Ganz im Gegensatz zu dir in der Apotheke«, spuckte Isobel verächtlich. »Die Wahrheit ist, Mum, dass dir dein Job in der Apotheke immer am wichtigsten war. Clare und ich kamen erst an zweiter Stelle.«
Alle schien der Schlag getroffen zu haben über diesen Ausbruch, am meisten Isobel selbst.
»Das ist nicht wahr. Meine Mädchen waren mir immer am wichtigsten. Wieso, glaubst du, haben wir so hart im Geschäft gearbeitet? Doch nur, damit es euch gut ging«, protestierte June aufgeregt.
»Ach, wieso kannst du nicht mal eine Sekunde lang ehrlich sein?«, rief Isobel, die sich von ihrem Schock erholt hatte und mächtig in Fahrt kam. »Mutter zu sein stand ziemlich weit unten auf deiner Liste von Prioritäten. Du wusstest nicht mal, was wir uns wirklich wünschten. Ich weiß noch, dass du mir ewig naturwissenschaftliche Bücher oder so was in der Richtung geschenkt hast, obwohl ich sehnsüchtig Puppen und Ballettunterricht wollte. Ich werde nie vergessen, als ich zehn war und mir Rollschuhe zum Geburtstag gewünscht hatte – prompt hast du mir stattdessen ein Junior-Mikroskop geschenkt.«
Verlegene Stille senkte sich über den Raum.
»Also das tut mir Leid, aber wir dachten, das Richtige zu tun. Dieses Mikroskop war übrigens ziemlich teuer«, verteidigte sich June lahm.
»Tja, bloß schade, dass ich’s gar nicht wollte. Du hattest schon immer diese fixe Vorstellung von uns, wie wir deiner Meinung nach sein sollten. Ich war der ernste, zerstreute Professor, und Clare war die mit der künstlerischen Begabung, und sobald wir uns aus dieser Schublade befreien wollten, hast du uns wieder reingedrückt.«
»Isobel …«, sagte Phil sanft.
Isobel merkte auf einmal, dass alle sie perplex anstarrten. Sie errötete und stopfte sich ein Stück Kuchen in den Mund.
»Bitte vielmals um Entschuldigung«, mümmelte sie, wütend kauend, »aber ich hatte eine harte Woche und bin ziemlich erledigt.«
»Aber natürlich war ich gern bei euch Mädchen«, erklärte June jetzt eifrig und beugte sich vor, um Isobel, die stur auf ihren Teller schaute, in die Augen zu sehen. »Selbstverständlich war ich das. Es ist bloß, dass es uns beide brauchte, um das Geschäft zu führen. Es war ein Zwei-Mann-Betrieb, und wir wollten euch Mädchen, soweit es irgend ging, auf Privatschulen schicken. Um euch Chancen zu geben, die wir nicht hatten. Aber es stimmt, ich mochte meine Arbeit. Aber das solltet ihr, Clare und du, doch verstehen. Ihr beide mögt euren Beruf doch auch.«
»Ja, sicher«, quetschte Isobel heraus und schob sich eine weitere Gabel voll Kuchen in den Mund.
»Das war damals noch was ziemlich Ungewöhnliches, nicht wahr, Jack?«, fuhr June bemüht fort. »Die berufstätige Mutter. Die anderen Frauen haben deswegen schon hin und wieder die Nase gerümpft, das kann ich dir versichern. Hast du dich deshalb geschämt, Issie? Ich dachte, ihr wärt vielleicht sogar ein wenig stolz gewesen, eine Mutter zu haben, die ihrer Zeit voraus war.«
»Nein, nein, ich hab mich nicht geschämt. Und ich weiß, dass du immer nur geglaubt hast, du würdest das Beste für uns tun. Hör zu, vergiss es einfach. Vergiss, dass ich überhaupt was gesagt hab.« Isobel trank noch einen frustrierten Schluck und überlegte gleichzeitig, dass sie jetzt besser aufhörte zu trinken. Sie hatte, soweit sie sich erinnern konnte, noch nie in diesem Ton mit ihren Eltern gesprochen, und sie konnte sehen, dass auch Phil sie leicht alarmiert bestaunte. Wahrscheinlich fragte er sich, was aus der stillen, sanftmütigen Frau geworden war, die er geheiratet hatte. Das fragte sich Isobel, um ehrlich zu sein, auch. In ihrem Kopf wusste sie, dass sie sich für ein Leben als pflichtbewusste Tochter,
fürsorgende Frau und gewissenhafte Mutter entschieden hatte. Doch jetzt, in diesem Moment, war ihr überhaupt nicht nach bemuttern zu Mute. Weder den Mann noch die Kinder, noch, der Himmel möge ihr helfen, die Eltern.
Phil räusperte sich. »Isobel nimmt diese Sache mit der Zeitschrift sehr ernst. Ihr solltet mal den Zeitschriftenstapel sehen, den sie angeschleppt hat.«
Isobel schluckte ihren Wein hinunter. »William, der stellvertretende Chefredakteur, hat
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