Suzanna
für sie war. »Ich habe mich in der Nacht verloren. Sie ist so schön.«
Coco nickte. Von allen ihren Mädchen sorgte sie sich am meisten um Suzanna. Coco hatte zugesehen, wie sie als junge Braut vor Hoffnung strahlend weggefahren war. Sie war dagewesen, als Suzanna kaum vier Jahre später bleich und zerstört mit zwei kleinen Kindern zurückgekehrt war. In den Jahren seither war sie stolz darauf gewesen zu sehen, wie Suzanna auf die Beine kam, sich ihrer Rolle als allein Erziehende widmete und hart, viel zu hart arbeitete, um ihr Geschäft anzukurbeln.
Und Coco hatte schmerzlich darauf gewartet, dass dieser traurige, gepeinigte Blick aus den Augen ihrer Nichte verschwand.
»Konntest du nicht schlafen?«, fragte Suzanna.
»Ich habe noch gar nicht an Schlaf gedacht.« Coco stieß den Atem aus. »Diese Frau bringt mich um den Verstand.«
Suzanna schaffte es, nicht zu lächeln. Sie wusste, dass »diese Frau« ihre Großtante Colleen war, das älteste von Biancas Kindern und Schwester von Cocos Vater. Die grobe, fordernde und ewig übellaunige Frau war vor einer Woche bei ihnen regelrecht eingefallen. Coco war sicher, dass dies nur mit der Absicht geschehen war, ihr das Leben zu vermiesen.
»Hast du sie beim Dinner gehört?« Groß und beeindruckend in ihrem fließenden Kaftan, begann Coco hin und her zu laufen. Ihre Klagen brachte sie empört flüsternd vor. Colleen mochte über achtzig sein, ihr Schlafzimmer mochte zehn Meter entfernt sein, aber sie besaß Ohren wie ein Luchs. »Die Soße war zu fett, der Spargel zu weich. Man stelle sich vor, dass ausgerechnet sie mir erklärt, wie man Coq au vin macht. Ich hätte am liebsten ihren Stock genommen und ihn ihr …«
»Das Dinner war köstlich wie immer«, unterbrach Suzanna. »Sie muss stets über etwas klagen, Tante Coco, sonst wäre ihr Tag nicht vollständig. Und wenn ich mich recht erinnere, hat sie keinen einzigen Krümel auf ihrem Teller zurückgelassen.«
»Ganz recht.« Coco holte tief Luft. »Ich weiß, ich sollte diese Frau nicht so auf meinen Nerven herumtrampeln lassen. Tatsache ist, dass ich mich stets halb zu Tode vor ihr gefürchtet habe. Und sie weiß das. Würde ich nicht zu Yoga und Meditation greifen, hätte ich bestimmt schon den Verstand verloren. Solange sie auf diesen Kreuzfahrtschiffen gelebt hat, musste ich nur gelegentlich einen Pflichtbrief schicken. Aber mit ihr unter einem Dach zu leben …« Coco konnte nicht anders, sie erschauerte.
»Sie wird uns bald leid sein und den Nil oder den Amazonas oder sonst was befahren.«
»Mir kann das nicht schnell genug gehen. Ich fürchte, sie möchte bleiben, bis wir die Smaragde gefunden haben.« Coco blieb stehen. »Ich habe meine Kristallkugel zum Meditieren benutzt. Das ist so besänftigend, und nach einem Abend mit Tante Colleen …« Sie winkte heftig ab. »Wie auch immer, ich trieb also dahin, als Gedanken und Bilder von Bianca vor meinem geistigen Auge erschienen.«
»Das ist nicht überraschend«, warf Suzanna ein. »Wir alle denken ständig an sie.«
»Aber diesmal war es sehr stark, Liebes, sehr klar. Da war so viel Melancholie. Ich sage dir, mir sind Tränen in die Augen gestiegen.« Coco zog ein Taschentuch aus ihrem Kaftan. »Dann habe ich plötzlich an dich gedacht, und das war genauso stark und klar. Die Verbindung zwischen dir und Bianca war unmissverständlich. Es muss einen Grund geben, und ich glaube, es hat mit Holt Bradford zu tun.« Cocos Augen schimmerten vor Begeisterung über ihre Entdeckung. »Sieh mal, du hast mit ihm gesprochen und dadurch den Graben zwischen Christian und Bianca überbrückt.«
»Ich glaube nicht, dass man meine Unterhaltung mit Holt eine Brücke nennen könnte.«
»Nein, er ist der Schlüssel, Suzanna. Er weiß vermutlich nicht, welche Information er besitzt, aber ohne ihn können wir nicht den nächsten Schritt tun.«
Suzanna zuckte die Schultern. »Er ist nicht interessiert.«
»Dann musst du ihn umstimmen.« Sie drückte Suzannas Hand. »Wir brauchen ihn. Bevor wir nicht die Smaragde gefunden haben, wird sich niemand von uns sicher fühlen. Die Polizei konnte diesen elenden Dieb nicht finden, und wir wissen nicht, was er als Nächstes versuchen wird. Holt ist unsere einzige Verbindung zu dem Mann, den Bianca liebte.«
»Ich weiß.«
»Dann wirst du ihn wiedersehen? Du wirst mit ihm sprechen?«
Suzanna blickte zu den Klippen, in die Dunkelheit. »Ja, ich werde ihn wiedersehen.«
Ich wusste, dass sie wiederkommen würde. Mochte es auch
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