Suzanna
schützen.«
»Nein, sie ist nicht gesprungen«, sagte Colleen. Sie hob ihren Schwenker mit zitternden Händen und setzte ihn wieder ab. »Ich habe nie über jene Nacht gesprochen, zu niemandem. Im Lauf der Jahre dachte ich manchmal, was ich gesehen habe, wäre nur ein Traum gewesen. Ein schrecklicher Albtraum.« Entschlossen klärte sie ihren Blick und verlieh ihrer Stimme Kraft. »Er hat sie verstanden, ihr Christian. Er hätte nicht so über sie schreiben können, ohne ihr Herz zu kennen. Sie war schön, aber sie war auch freundlich und großzügig. Ich wurde niemals so geliebt wie von meiner Mutter. Und ich habe nie so gehasst, wie ich meinen Vater hasste.«
Colleen straffte ihre Schultern. Die Bürde war schon etwas leichter geworden.
»Ich war zu jung, um ihr Unglück und ihre Verzweiflung zu verstehen. In jener Zeit regierte ein Mann sein Heim und seine Familie, wie es ihm gefiel. Niemand wagte es, meinen Vater infrage zu stellen. Doch ich erinnere mich des Tages, an dem Mutter den Welpen heimbrachte, den kleinen Welpen, den mein Vater nicht in seinem Haus duldete. Mutter schickte uns nach oben, aber ich versteckte mich am oberen Ende der Treppe und lauschte. Ich hatte nie zuvor gehört, dass sie ihre Stimme gegen ihn erhob. O ja, sie war tapfer. Und er war grausam. Ich verstand die Ausdrücke nicht, mit denen er sie belegte. Damals verstand ich sie nicht.«
Colleen nahm einen Schluck. Ihre Kehle war trocken und die Erinnerung bitter.
»Mutter verteidigte mich gegen ihn, wusste sie doch genau wie ich, dass er mich – ein Mädchen – kaum tolerierte. Als er nach dem Streit das Haus verließ, war ich froh. In jener Nacht hoffte ich, er würde nie zurückkommen. Am nächsten Tag eröffnete mir meine Mutter, wir würden eine Reise machen. Sie hatte es meinen Brüdern noch nicht gesagt, aber ich war die Älteste. Sie wollte, dass ich verstand, dass sie sich um uns kümmern würde und uns nichts Schlimmes zustoßen konnte. Dann kam er zurück. Ich wusste, dass sie verstört war, sogar Angst hatte. Ich sollte in meinem Zimmer bleiben, bis sie mich holen käme. Aber sie kam nicht. Es wurde spät, und ein Gewitter zog auf. Ich wollte zu meiner Mutter.«
Colleen presste ihre Lippen aufeinander und schwieg für einen Moment.
»Sie war nicht in ihrem Zimmer. Also stieg ich in den Turm, in dem sie oft ihre Zeit zubrachte. Ich hörte die beiden, als ich die Stufen hinaufschlich. Die Tür stand offen, und ich hörte meine Mutter und meinen Vater. Und den schrecklichen Streit. Vater tobte, blind vor Wut. Mutter sagte ihm, dass sie nicht länger mit ihm leben könnte, sie wollte von ihm nur ihre Kinder und ihre Freiheit.«
Weil Colleen zitterte, stand Coco auf und ging zu ihr, um ihre Hand zu ergreifen.
»Er schlug sie. Ich hörte den Schlag und rannte zur Tür. Doch ich hatte zu große Angst, um hineinzugehen. Mutter hielt sich die Wange, und ihre Augen funkelten. Nicht vor Angst, sondern vor Zorn. Ich werde immer daran denken, dass zuletzt keine Angst in ihr war. Er drohte ihr mit dem Skandal. Er schrie sie an, sollte sie sein Haus verlassen, würde sie nie wieder eines ihrer Kinder zu Gesicht bekommen. Sie würde seinen Ruf nicht ruinieren. Sie würde seinem Ehrgeiz kein Hindernis in den Weg stellen.«
Colleens Lippen zuckten leicht, als sie den Kopf anhob.
»Sie bettelte nicht. Und sie weinte nicht. Sie schleuderte ihm die Worte entgegen wie Donnerschläge.« Colleen ballte eine Hand zur Faust und presste sie auf den Mund, um ihre Tränen zurückzudrängen. »Sie war großartig. Ihre Kinder würde man ihr nicht nehmen, und der Skandal wäre ihr gleichgültig. Ob er glaubte, es würde ihr etwas ausmachen, was die Leute von ihr dachten? Ob er glaubte, sie würde seine Macht fürchten, sie von der Gesellschaft ächten zu lassen? Sie wollte ihre Kinder nehmen und ein Leben aufbauen, in dem sie und die Kinder geliebt würden. Und ich glaube, das trieb ihn zur Raserei – die Vorstellung, sie könnte einen anderen Mann ihm vorziehen. Ihm, Fergus Calhoun. Sie könnte ihm sein Geld und seine Macht und seine Stellung vor die Füße werfen, anstatt sich seinen Wünschen zu beugen. Er packte sie, hob sie von ihren Füßen, schüttelte sie, schrie sie an, während sein Gesicht vor Wut dunkelrot anlief. Ich glaube, dann schrie ich, und als Mutter mich hörte, begann sie sich zu wehren. Als sie nach ihm schlug, stieß er sie von sich. Ich hörte das Klirren von Glas.«
Eine Weile verharrte Colleen. »Er lief zum Fenster
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