Svantevit - historischer Roman (German Edition)
wie abgebrochene Äste.
"Versuche, dich nicht zu sehr zu bewegen, damit du nicht tiefer einsinkst!"
Eigentlich war dieser Hinweis überflüssig, denn Radik erkannte, dass die Kälte die Bewegungsmöglichkeiten des Mannes ohnehin einschränkte.
Ohne Hilfsmittel kam er an ihn nicht heran. Er blickte sich um, konnte aber nichts Brauchbares erkennen. Ohnehin bezweifelte Radik, dass sich der Mensch an einem Stock oder Seil würde festhalten können.
"Ich komme gleich wieder!"
"Nein. Hol´ mich bitte hier raus! Ich erfülle dir jeden Wunsch! Ich bin ein vermögender Kaufmann! Hol´ mich hier raus!"
Radik ritt zu einem nicht entfernten Fischerdorf, das fast wie ausgestorben wirkte. Offensichtlich hatten alle auf dem Heringsmarkt zu tun, so dass er es für Zeitverschwendung hielt, nach geeigneten Helfern zu suchen. Er fand schnell, was er brauchte und kehrte unverzüglich zum Moorloch zurück.
"Ich werfe jetzt ein Netz über dich! Es hat ziemlich große Maschen! Versuche, deine Hände und Unterarme dort hindurch zu winden und dich möglichst fest darin zu verstricken!"
Das Netz sauste über den Kopf des Mannes, der sogleich, wenn auch langsam, mit seinen Armen in der Luft zu rudern begann. Radik holte inzwischen den Hengst so dich heran, wie es gefahrlos möglich war und ließ ihn erst halten, als die Hufe leicht einsanken und feuchter Schlamm hervorsickerte.
"Bist du so weit?", fragte Radik und nach einigem Zögern antwortete der Mann mit einem ängstlichen: "Ja."
Radik hatte Kuro fest bei den Zügeln gepackt und gab ihm nun das Zeichen langsam vorwärts zuschreiten. Gleichzeitig musste er den Mann beobachten, um das Ziehen sofort zu unterbrechen, falls es Schwierigkeiten geben sollte. Das Pferd wäre ohne Zweifel stark genug, dem armen Kaufmann die Arme auszureißen.
"Du musst fest zupacken!", rief Radik erneut und da der Mann stumm blieb und nicht vor Schmerzen schrie, lenkte Radik seinen Hengst einen weiteren Schritt voraus.
Das Netz spannte sich unter der Zuglast.
Schließlich wurde es Radik fast unheimlich, dass der Mann keinen Ton von sich gab.
"Ist alles in Ordnung?", fragte er, nachdem er den Hengst zum Stehen gebracht hatte.
"Ja! Weiter!", kam es gequält, aber deutlich vernehmbar aus dem Moorloch zurück.
Nachdem der Oberkörper herausgezogen war, ging es ganz schnell und zu Radiks Füßen lag schlammverschmiert der Kaufmann in seinem dicken Pelzmantel. Er schniefte und schnaufte, als hätte er sich selbst herausgezogen und hatte Mühe, seine klammen Gliedmaßen aus dem Netz zu befreien.
Radik half ihm.
"Du musst jetzt schnell an einen Ofen und etwas Warmes trinken", sagte Radik und stützte ihn, als er mühsam versuchte, sich aufzurichten.
"Du hast mir das Leben gerettet", hauchte der Kaufmann schließlich Radik mit weit aufgerissenen Augen entgegen und hielt ihn an den Schultern, "Das werde ich dir nie vergessen und will es dir vergelten! Jetzt aber schaff mich bitte fort von hier! Ganz in der Nähe muss das Wirtshaus sein, in dem ich mein Quartier bezogen habe."
"Dann gehörst du zu den Kaufleuten, die Heringsfässer im Dorf Vitt erworben haben? Ich bin beauftragt, euch den Termin zur Abholung der Waren zu benennen."
"Dies ist im Moment meine kleinste Sorge", meinte der Mann schwach und Radik bemerkte, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte.
Als Radik den strengen Schnapsgeruch wahrnahm, konnte er sich sogleich denken, wie der Mann in diese Lage geraten konnte.
"Nimm noch mal alle Kraft zusammen", sagte Radik, als er ihm half, auf das Pferd zu kommen.
Dort sackte der Kaufmann kraftlos zusammen. Radik packte den Hengst bei den Zügeln und eilte im Laufschritt zur Gastwirtschaft.
"Wie ist dein Name, junger Freund?"
Der Kaufmann war in der Schankstube von vielen anderen Männern begrüßt worden, die ihn schon sorgevoll erwartet hatten, nachdem sein Pferd irgendwo reiterlos aufgegriffen worden war. Er war klein und untersetzt und hatte bereits weißes Haar. Seine Schwäche schwand und er wirkte nun zunehmend vitaler.
"Mein Name ist Radik. Ich wohne im Dorf Vitt und bin dort Fischer."
"So, so. Ein Fischer."
Der Kaufmann sprach dies aus, als gäbe es keine ehrenwertere Tätigkeit als das Fangen von Fischen.
"Nun dann kannst du sehr stolz sein. Des Fisches wegen, den auch du fängst, sind Händler wie wir monatelang unterwegs, um diese begehrte Ware zu entfernten Orten zu bringen."
Die aufgeheiterte Gesellschaft sprach den geistigen Getränken zu und auch Radik nippte an
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