Svantevit - historischer Roman (German Edition)
Ärmel gepackt, aber Radik riss sich los und trat schnell zu Pritzbur an den Tisch.
"Ich möchte keinen Pelz!", sagte er laut und der Kaufmann blickte verdutzt auf.
"Du immer noch. Hat Rubislaw dir nicht die Pelze …"
"Ich möchte keinen Pelz!" wiederholte Radik.
"So? Dann mach aber schnell, ich habe keine Zeit!", sagte Pritzbur nun unwirsch.
"Bist du nächstes Jahr wieder hier?", fragte Radik zögernd.
"Ja, natürlich, so Gott will. Was soll ich dir mitbringen?"
"Nichts! Mein Wunsch ist, dich auf der Reise zu begleiten."
"Was? Wie stellst du dir das vor? Das ist wahrlich kein Ausflug! Und ich habe gar nicht die Zeit, ständig auf dich aufzupassen!"
Er schüttelte den Kopf und wendete sich wieder dem Pergament zu.
"Ich könnte doch auch mithelfen!", sagte Radik, der nicht gewillt war, sich so einfach abspeisen zu lassen.
"Mithelfen? Wie alt bist du?"
"Sechzehn Jahre."
"Mein Gehilfe Rubislaw, dessen körperliche Kräfte enorm entwickelt sind, kann ein Heringsfass alleine auf den Wagen heben. Du bist zwar für dein Alter recht groß und scheinst kräftig, aber ich bedarf deiner Hilfe nicht."
"Du hast aber versprochen, ihm jeden Wusch zu erfüllen", mischte sich plötzlich Rubislaw ein.
"Habe ich dich nach deiner Meinung gefragt?", giftete Pritzbur zurück, bemerkte aber, dass auch die anderen Männer im Raum auf ihn starrten.
"Was glotzt ihr so. Ich weiß selbst, dass mir der Junge das Leben gerettet hat und ich ihm dafür eine Belohnung versprach. Aber ein Pelz ist allemal genug."
"Er ist immer sehr übellaunig, wenn er über seiner Rechnung sitzt", flüsterte Rubislaw Radik ins Ohr.
"Deinetwegen kann ich nun noch mal beginnen!", brüllte Pritzbur Radik an und wies auf das Pergament, "Du siehst doch, dass ich keine Zeit habe!"
"Und wenn ich für dich schnell die Rechnungen ausführe, kann ich dann mit dir weiterreden."
Pritzbur schnappte nach Luft.
"Übertreib es nicht, Bengel! Meine Geduld hat ihre Grenzen!"
Radik hatte während der Unterhaltung die Zahlenreihen auf dem Bogen studiert. Es waren überwiegend einfache Additionen, blockweise angeordnete Summanden. Radik tippte mit dem Finger nacheinander auf verschiedene Stellen der dünnen Tierhaut.
"Hier ist die Summe 36, hier 80 und dort könnt ihr 106 eintragen."
Pritzbur stieg Zornesröte ins Gesicht.
"Was erlaubst du …"
Er blickte auf das Pergament, verharrte dort, sah Radik an, öffnete den Mund, aber die Stimme schien ihm zu versagen.
"Wer? Wer bist du?", krächzte er schließlich heiser und sah Radik mit ungläubigen Augen an, als habe der gerade eine übermenschliche Leistung erbracht.
"Ich bin Radik. Fischer aus dem Dorf Vitt und frage dich, ob du mir gestattest, dich auf deiner Handelsreise zu begleiten."
"Ja, ja. Ich weiß schon deinen Namen. Aber wie kommt es, dass du in der Lage bist, eine Addition auszuführen. Sieh hier im Raum, von den etwa zwanzig Männern, können nach deiner Meinung wie viele eine derartige Rechnung ausführen? Ich will es dir sagen. Es ist grob geschätzt und ganz genau gesagt nur ein einziger und dieser sitzt vor dir. Dies Wissen habe ich mir vor einigen Jahrzehnten auf einer Kaufmannsschule angeeignet, wenn auch ich mich mit der Arithmetik nie ganz anfreunden konnte. Nun wirst du mein Erstaunen sicher verstehen, wenn du, den ich bisher als gewöhnlichen Fischer anblickte, dich dieser Fähigkeit mächtig erweist. Wo hast du dergleichen gelernt?"
"Von einem guten Freund, der es, wie auch du, in seiner Ausbildung zum Kaufmann beigebracht bekam und dafür gar eine rechte Leidenschaft entwickelte."
Pritzbur rieb sich, immer noch verwundert dreinblickend, mit der Hand am Kinn. Radik griff den Federkiel.
"Ich sehe hier unten ein einfaches Divisio, dessen Lösung zur Komplettierung der Rechnungen noch fehlt."
Pritzbur rückte augenblicklich zur Seite, um auf der Bank Platz zu machen. Radik setzte sich, tauchte den Kiel in das Tintenfässchen und machte zunächst einen großen Klecks auf das Pergament.
"Du musst es etwas abtropfen."
"Ich schrieb bisher nur mit Kreide", sagte Radik und setzte erneut an.
Die Aufgabe war schnell gelöst und als Radik zu Pritzbur hinüberblickte, strahlte dieser über das ganze Gesicht.
"Warum willst du eine solche Reise auf dich nehmen, die sehr beschwerlich werden kann?"
"Es ist die Neugier auf ferne Gegenden, von denen ich bereits viel hörte. Ich möchte mich dort mit eigenen Augen umblicken! Wo führt dich dein Weg nun eigentlich hin?", fragte Radik
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