Svantevit - historischer Roman (German Edition)
in einer Holzkiste ablegte, bevor sie die Fische ins Haus trugen. Wie Radik mit einem Blick feststellte, waren in der Kiste kleine Netze, verschiedene Schnüre mit Haken und er fasste einen Entschluss.
"Miez, miez, miez!"
Hinter dem Haus, in dem die Kaufleute zusammensaßen, schüttete eine Frau eine kleine Schüssel aus. Als sie wieder verschwunden war, besah sich Radik das Katzenfutter. Es waren einige Gänseinnereien, wohl von jenen Vögeln, die sich bereits in den Bäuchen der Kaufleute befanden.
"Dies kommt mir ja wie gerufen", meinte Radik und behielt den lauernden dicken Kater im Auge.
"Gib du mir heute einen Stück des Gänsemagens und ich bringe dir morgen vielleicht einen frischen Fischkopf", schlug Radik vor und deutete das Knurren des Katers einfach als Zustimmung.
Am nächsten Morgen schlich Radik in aller Frühe aus seinem Nachtlager. Die Kaufleute waren in den Kasematten des Burgwalles einquartiert worden, wo in friedlichen Zeiten freier Platz zur Verfügung stand.
Er nahm sich eine Fackel und ließ sich nicht von den neugierigen Blicken eines Bewaffneten beeindrucken. Anschließend ging er zum Ufer der Insel, dorthin, wo die Brücke begann und kletterte hinunter zu den ersten Pfeilern. Hier prüfte er den festen Sitz des Hakens an der Schnur und begann, auf einem Stein den Gänsemagen zu zerschneiden. Einige unbrauchbare Stücke, die zu klein oder nicht fest genug waren, warf er ins Wasser, genau an jene Stelle, an der später auch der Haken platziert werden sollte. Dann bestückte er das spitze Metall mit dem Köder und warf das Angelgerät mit geübten Bewegungen aus.
Die Kälte hatte nicht nachgelassen, sie vertrieb jede Müdigkeit und der beginnende Morgen versprach wiederum einen wolkenfreien und nebelreichen Tag.
Radik starrte auf das ruhige Wasser, dessen Oberfläche trübe wirkte, was an den Eiskristallen lag, die sich nun nach und nach bildeten und in einigen Tagen eine dichte Decke geschaffen haben würden. Die Fackel warf einen gleichmäßigen Schein auf den See, nur hin und wieder durch eine kleine Bö zum Tanzen gebracht.
Radik genoss die Ruhe und gleichzeitig den vertrauten Reiz des Fischfanges. Bald wanderten seine Gedanken nach Hause und er fragte sich, wie es dort jetzt wohl sein mochte. Sicherlich auch kalt, wie denn sonst, eben ein normaler Winter. Dennoch wurde ihm wehmütig zumute. Ob es seinem Schwesterchen in diesem Winter gelingen sollte, eine Flocke zu fangen, die nicht schmolz? Und welche Ungeheuer sein Bruder wohl wieder mal aus dem Schnee formen würde? Trauten sich in diesem Winter erneut Wölfe auf die Insel? Bei dem letzten Gedanken fasste er sich unwillkürlich an den linken Oberarm, in den ihm vor nun fast drei Jahren Nipud bei der Wolfsjagd einen Pfeil geschossen hatte, wovon immer noch eine Narbe kündete.
Und natürlich dachte er an Kaila. War es richtig, sie für ein Jahr zu verlassen, wo die beiden doch erst im letzten Sommer wirklich zueinander gefunden hatten? Aber sie hatte ihm ja selbst dazu geraten. Dennoch plagte ihn plötzlich ein ungutes Gefühl. Er blickte zum Himmel, an dem der sichelförmige Mond stand.
´Wie oft musst du erst noch wieder voll werden, bis ich Kaila wieder in die Arme schließen kann?´, dachte Radik.
Der Schein des Mondes, den er sooft zusammen mit Kaila beobachtet hatte, verdrängte die schwermütigen Gedanken und er stellte sich vor, dass auch Kaila in diesem Augenblick dort hinauf sah, er war sich sogar ganz sicher.
Die Schnur fuhr Radik durch die Hände und wäre ihm fast gänzlich entglitten, wenn er nicht im letzten Augenblick fest zugepackt hätte. Das Ziehen ließ augenblicklich nach, aber Radik konnte die Schnur auch kein Stückchen einholen. Er zerrte nochmals so kräftig wie möglich, aber nichts tat sich. Sollte sich die Angel irgendwo verhakt haben? Aber dann wäre die Schnur doch nicht zuerst abgelaufen. Treibholz? Der See war ruhig.
Radik hatte sich die Schnur etwas um den Unterarm gewickelt, als der Zug wieder zunahm, so stark, dass er sich regelrecht dagegen stemmen musste. Was war das? Im gleichen Augenblick sprang der Fisch, was für ein Bursche! Die Schnur war zum Zerreißen gespannt, aber kein Stück mehr da, um etwas nachzugeben. Schnell fingerte Radik mit der freien Hand eine weitere Schnur aus der Tasche, die er zur Sicherheit eingesteckt hatte. Um zwei Schnüre fest zusammenzuknoten, brauchte man allerdings zwei freie Hände und Ruhe. Davon konnte jedoch keine Rede sein!
Radik wickelte sich
Weitere Kostenlose Bücher