Svantevit - historischer Roman (German Edition)
wieder aufflammender Widerstände verbreitete sich der christliche Glauben bald unter dem Volk. Daraufhin hatten die Ranen alle Handelskontakte abgebrochen.
Die Gotteshäuser, welche man hier sah, waren nicht so imposant wie jene in Krakau. Dennoch machten sie auf Radik einen besonderen Eindruck, weil ihm dieser Ort am Meer so vertraut vorkam, als befände er sich bereits auf Rügen.
´Was war nur an diesem Jesus Christus, den man vor so langer Zeit an einem weit entfernten Ort an das Kreuz geschlagen hatte, dass der Glaube an ihn sich immer weiter ausbreitete?´, überlegte Radik verwundert.
Doch nichts von dem, was ihm von Womar berichtet worden war, konnte dieses Phänomen erklären. Der Alte hatte berichtet, dass die Christenpriester immer wieder in fremde Gegenden reisten, entfernte Völker aufsuchten und dort ihren Glauben verkündeten, in der Hoffnung, die Menschen würden diesen Gott auch als den ihren anerkennen. Dabei setzten viele dieser Missionare ihr eigenes Leben ein und wurden noch, wenn sie völlig erfolglos waren und bald erschlagen wurden, besonders verehrt oder gar selbst zu Heiligen erklärt. Dieses merkwürdige Vorgehen der Christenmenschen hatte dennoch Erfolg, wie Radik eingestehen musste.
´Warum war diese Welt der Götter nicht so einfach beherrschbar, wie die Arithmetik. Eine ausgeführte Rechnung konnte von jedem, der etwas davon verstand, als richtig oder falsch bewertet werden, egal, in welchem Land jemand lebte und welche Sprache er sprach. Niemand konnte plötzlich behaupten, dass man bisher falsch gerechnet habe. Wenn Pritzbur einem anderen Kaufmann fünf Heringsfässer zu je zwei Silbermünzen verkauft, würde er insgesamt zehn Silbermünzen verlangen, ohne dass sich der Geschäftspartner darauf berufen könnte, aus einer Gegend zu stammen, wo diese Rechnung acht Münzen ergebe.´ grübelte Radik, ´Doch mit den Göttern war dies nicht so einfach. Was gab es dort schon für Beweise? Sicher gab es erfolgreiche Kaperfahrten, bei denen Svantevit und sein weißes Pferd das Glück vorausgesagt hatten. Aber waren nicht auch Misserfolge eingetreten gewesen, die eigentlich als Triumphe angekündigt worden waren?´
Als kleines Kind hatte er von den Erwachsenen allerhand merkwürdige Geschichten gehört. So wohnten im dunklen Wald Geister, deren Aussehen und Eigenarten man gestenreich zu schildern wusste. Ähnliche Geschöpfe waren im tiefen Wasser anzutreffen und des Nachts vor die Tür zu gehen, sei ohnehin der sichere Tod. Radik hatte so sicher an die Existenz dieser Wesen geglaubt, wie man nur an etwas glauben kann. Später wurde der Sinn dieser Erzählungen klar. Die Kinder sollten durch das Schüren von Angst davon abgehalten werden, dieses oder jenes zu tun, was Gefahren in sich barg. Im Wald konnte man sich verlaufen, im tiefen Wasser ertrinken oder sich des Nachts verirren.
Manchmal verglich er sein damaliges blindes Vertrauen in diese Geschichten mit dem Glauben, den die Menschen den Erzählungen der Priester entgegenbrachten. Nur welcher Zweck konnte hier dahinter stecken?
Das Fährboot schaukelte, aber Radik bemerkte davon nichts. Die anderen Männer sahen ihn verwundert, da er nicht vom Pferd abgesessen war, als man in Stralow die Boote bestiegen hatte.
Fest richtete Radik seinen Blick auf das langsam näher kommende Land Rügens. Auch Kuro, der wohl die Anspannung spürte, ließ das Ufer nicht aus den Augen, beide Ohren hoch aufgerichtet.
"In wenigen Tagen sehen wir uns wieder!", rief Radik Rubislaw zu, bevor Kuro mit einem Satz vom Boot sprang und davongaloppierte.
Als er in die Hütte des Alten stürmte, saß dieser am Tisch, neben ihm Ivod, Radiks Bruder. Beide erschraken über den hereinpolternden Besuch und zeigten auch nicht die Freude, die Radik erwartet hatte, als sie den stürmischen Gast erkannten.
"Endlich!", rief Womar und kam ihm entgegen.
Auch Ivod erhob sich, behielt aber eine irgendwie sorgenvolle Miene, die Radik nichts Gutes bedeutete.
"Wo ist …?"
Radik getraute sich nicht, die Frage zu Ende zu stellen, als könnte er durch das Aussprechen des Namens die Besorgnisse wahr werden lassen, die ihn seit Wochen umtrieben.
"Sie ist nicht mehr hier", sagte Womar so behutsam, wie es ihm, der selbst stark aufgewühlt wirkte, möglich war und fasste Radik bei den Schultern, als müsse er ihm Halt geben.
KAPITEL V
Steinerne Abwehr
"Ich vermute, du bringst gute Nachrichten", empfing König Waldemar seinen Berater, der ein sehr
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