Svantevit - historischer Roman (German Edition)
einiger Entfernung lautstark vernehmen, dass auch dort die Nacht längst zu Ende war.
Radik erinnerte sich daran, wie er mit der Handelskarawane seinerzeit Krakau erreicht hatte. Dies war nun auch schon vier Jahre her. Lübeck nahm sich allerdings deutlich bescheidener aus, doch war das Spektakel, welches die geschäftige Menge an Menschen verursachte, nicht weniger turbulent.
Als sie sich weiter annäherten, konnte man allerdings erkennen, dass es hier neben Händlern auch vor Soldaten geradezu wimmelte. Ebenso waren viele Edelleute auszumachen, deren Kleidung aus der Masse herausstach. Und auch an Geistlichen schien es hier keinen Mangel zu geben.
Der Anlass dieses Menschenauflaufes war die Einweihung des Lübecker Domes. Der Sitz des Bistums war vor einiger Zeit von Oldenburg nach Lübeck verlegt worden und hatte den Bau des Domes, also einer bischöflichen Kirche, erforderlich gemacht.
Radik war von dem einfachen Holzbau etwas enttäuscht, dachte er doch an die beeindruckenden steinernen Kirchen Krakaus. Ihm blieb allerdings nicht viel Zeit, darüber länger nachzudenken.
Er wurde aufgefordert, die Fürsten in den Dom zu begleiten, während die anderen Ranenkrieger zurückblieben. Hier sollte er nun seine Aufgabe erfüllen, wegen derer er überhaupt in den fürstlichen Tross berufen worden war. Die Fürsten selbst sprachen kein Deutsch und waren daher zur Verständigung mit den Sachsen auf Hilfe angewiesen. Zwar hatten sie am Hofe zwei Männer in ihren Diensten, welche diese Sprache gut beherrschten, doch waren diese bereits in recht fortgeschrittenem Alter und so traute sich nur einer von ihnen diese lange Reise zu. Im Dom wollte jeder der Fürsten einen Übersetzer an seiner Seite wissen, da man während der Zeremonie nur im Flüsterton würde sprechen können.
"Halte dich unauffällig neben den Fürsten", hatte Dimar Radik eingeschärft, "Habe auch als Soldat ein wachsames Auge auf ihre Sicherheit, wenngleich du deine Waffen ablegen musst. Ich selbst werde auch in der Nähe sein."
Im Dom war kaum Platz, die Menge der Menschen aufzunehmen, welche hereinströmen wollte und dies obwohl die feierlich Einweihung nur im Kreise des Adels und der Geistlichkeit stattfand. Langsam bahnte sich die kleine Gruppe der Ranen den Weg. Sie waren bereits am Stadttor von einem im Dienste des Sachsenherzogs stehenden Ministerialen empfangen worden, der sie nun auch geleitete.
"Sag deinen Herrn, dass der Herzog sie nach dem Gottesdienst zu sprechen wünscht. Er empfängt sie in seinem Lager vor den Toren der Stadt."
"Gut", sagte Radik zu dem Sachsen, "aber richte dein Wort künftig direkt an einen der Fürsten. Ich werde dein Vorbringen dann in unsere Sprache übertragen. Dein Herzog würde es auch kaum gutheißen, wenn man sich in seiner Gegenwart an einen einfachen Soldaten wendet."
Der Sachse sah ihn überrascht an und nickte dann kurz. Schon schoben sie sich durch die Tür des Domes und drängten zu einer der Holzbänke in den vorderen Reihen.
Hier war noch wenig von feierlicher oder gar weihevoller Stimmung zu spüren, vielmehr wurde gelärmt wie auf einem Marktplatz. Überall standen Männer und auch einige Damen in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich lautstark.
Die Gespräche verstummten schlagartig, als eine Anzahl prunkvoll gekleideter Herren den Dom betrat und mit energischen Schritten nach vorne eilte. Sofort setzten sich auch alle anderen an ihre Plätze. Erst jetzt konnte Radik den kleinen Mann wahrnehmen, der von den anderen zuvor um Haupteslänge überragt worden war und auf dem jetzt viele Augen ruhten.
Heinrich der Löwe blickte sich nach den verschiedenen Seiten um und nahm die Begrüßungen in Form artiger Verbeugungen entgegen. Als sein Blick auf die Ranen fiel, stutzte er kurz und wechselte einige flüsternde Worte mit einem Herrn, der zu seiner Rechten saß. Dann erhellte sich seine Miene, auch wenn die Fürsten nicht ihre Häupter beugten, sondern Tetzlaw fast huldvoll mit der Hand winkte. Radik fand, dass Tetzlaw und Heinrich von der Statur her Brüder sein könnten. Auch wirkte der Sachsenherzog auf ihn in der gleichen Weise umgänglich – Radik hatte halt noch nie einen seiner gefürchteten Tobsuchtsanfälle erlebt.
Schon stand der Bischof am Altar, begrüßte den Herzog und begann unter Mitwirkung seiner zahlreichen Gehilfen mit der feierlichen Weihe des Gotteshauses. Fürst Tetzlaw forderte Radik auf, ihm die Worte zu übersetzen, welche der Bischof so andachtsvoll von sich
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