Svantevit - historischer Roman (German Edition)
Tage. Was für ein Tag?
Radik grübelte, während er sich neugierig umsah und sich seine Augen schnell an die Dunkelheit gewöhnten. Der Raum war groß. Ein Tisch mit Stühlen stand darin und in einer anderen Ecke ein weiteres Bett. In Radiks Dorf kannte man keine Betten; dort schlief man auf den Bänken, die am Tage zum Sitzen dienten. Der Ofen an der Wand war eingeheizt, hinter einem Vorhang, der etwas offen stand, ging es offenbar in einen weiteren Raum. Neben dem Bett, in dem Radik lag, befand sich ein Fenster, das mit Läden verschlossen war. Durch schmale Ritzen drangen Lichtstrahlen und als Radik seine Hand dorthin streckte, spürte er eiskalte Luft.
Die Umgebung und Umstände waren für Radik verwirrend, obwohl er sich an alles davor Gewesene erinnern konnte, wenn auch wie aus der Perspektive einer dritten Person. Er wollte mit Rusawa zum Böttcher und dabei war Rusawa ins Eis eingebrochen. Sein Herz krampfte sich bei diesem Gedanken zusammen und er sprang regelrecht auf, um sich gleich darauf wieder auf das Bett zurückzusetzen. Ihm wurde schwarz vor Augen und seine Beine versagten den Dienst.
Im gleichen Moment drang deutlich vernehmbar von draußen die Stimme Rusawas hinein. Reflexartig wollte Radik erneut hochschnellen, hielt aber rechtzeitig inne. Das ihm wohlbekannte aufgeregte Plappern seiner Schwester beruhigt ihn, ließ aber weitere Fragen aufkommen. Er lag in einem fremden Bett, völlig entkräftet, wie er gerade feststellen musste und seine Schwester, um deren Leben er sich sorgte, lief anscheinend munter umher und unterhielt sich mit jemandem. Wie war dies zu erklären? Es war auch die Stimme eines Mannes zu hören, der in ruhigem Ton auf Rusawa einredete. Die einzelnen Worte waren aber nicht zu verstehen.
Vielleicht hatte er seine Schwester doch noch retten können. Ihm kamen wieder die Bilder in den Sinn, wie er im eisigen Wasser dem Grund entgegentauchte und seine erstarrten Hände nach dem zusammengekauerten Bündel griffen, das seine Schwester war. Dann setzte die Erinnerung aber aus.
Sicher war er mit Rusawa doch noch zum Böttcher gelangt und dort ermattet in tiefen Schlaf gefallen. Dann müsste dies das Haus des Böttchers sein. Radik sah sich erneut um.
Er begann etwas zu frieren und legte sich wieder unter das dicke mit Federn gefüllte Leinenbett, um kurz darauf einzuschlafen.
Eine warme Hand in seinem Gesicht weckt ihn erneut. Langsam öffnete er die Augen und sah seine Schwester, die ihm die Wangen streichelte.
Rusawa sprang ihm sofort um den Hals: "Endlich bist du wieder wach! Du hast wirklich lange geschlafen. Ich habe die ganze Zeit auf dich aufgepasst. Jetzt musst du aber erst mal etwas essen."
Die Kleine wollte aufspringen, aber Radik hielt sie an den Armen fest und flüsterte: "Nun lauf nicht gleich wieder weg. Wo sind wir denn hier überhaupt und mit wem hast du da draußen gesprochen?"
"Ich glaube sie sprach mit mir."
Am Kopfende von Radiks Bett erhob sich ein älterer Mann, der dort unbemerkt auf einem Stuhl gesessen hatte.
Radik sah dem Mann in die Augen und erinnerte sich sofort wieder an ihn. Er strahlte Ruhe und Besonnenheit aus und ließ Radik augenblicklich ein tiefes Vertrauen fassen. Die weißen Haare waren kurz geschnitten, ebenso der spärliche Bart.
Er lächelte Radik an, als ob er ihn bereits lange kenne und sich über das Wiedersehen freue. Der Alte sah verschmitzt aus seinen feuchten Augen, zu denen die kleine rote Nase gut passte.
Dieser Alte war ihnen am Eis zu Hilfe gekommen und hatte sie auf einem Schlitten in Sicherheit gebracht. Radik ahnte bereits, dass man sich in der schmächtigen Figur des Alten wohl täuschte. Und Radik fiel sogar der Namen des Pferdes ein, Kaila, der Alte hatte es zur Eile gemahnt.
"Mein Name ist Womar. Ich habe euch aus dem Eisloch gezogen und nun seid ihr bei mir in meiner Hütte. Es sind fünf Tage vergangen. Du hattest anfangs hohes Fieber, aber das hast du schnell besiegt."
"Womar hat für dich Kräuter gekocht, dir um den Kopf gewickelt und auf die Brust gelegt. Und den heißen Kräutersud hast du getrunken, obwohl du gar nicht richtig wach warst", erklärte Rusawa und fügte schnell noch hinzu: "Ich habe dabei geholfen und auf dich aufgepasst, zusammen mit Jira."
"Wer ist denn Jira?"
"Na meine neue Puppe."
Sie streckte Radik ein Püppchen entgegen, das einen aus Holz geschnitzten Kopf und einen Leib aus gefülltem Leinen hatte.
"Die hat Womar mir gebastelt", berichtete sie stolz.
Der Alte strich ihr
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