Svantevit - historischer Roman (German Edition)
Säcken und tönernen Gefäßen befand sich alles an Nahrungsmitteln, was irgendwie längere Zeit haltbar war, vor allem Geräuchertes und Gesalzenes. Daneben getrocknete Beeren, Mehl und, was Radik besonders auffiel, eine Unmenge Honig. Er konnte nicht widerstehen, seinen Finger in die goldene Süße hineinzutauchen. Nun waren seine Hände ebenso klebrig, wie nach der Berührung mit den merkwürdigen Körben. Aber diesmal brauchte er keinen Schnee zur Reinigung; hier konnte man getrost die Zunge einsetzen.
Neben den Honigtöpfen stand ein Bottich, der mit einem Holzbrett abgedeckt war. Radik musste das Brett nur ein wenig anzuheben, um zu wissen, was sich in dem Behältnis befand. Der süßlich–scharfe Geruch von starkem Met stieg ihm in die Nase. Bei dem Gedanken, dass sein Vater jetzt hier wäre, musste Radik schmunzeln. Dieser würde sich nicht damit begnügen, seinen Finger in den Met zu stecken, sondern wohl gleich mit dem ganzen Kopf untertauchen.
Über dem Metbottich befand sich ein Regal, auf dem sich aber nur ein einziger Gegenstand befand. Radik nahm dieses seltsame Ding herunter und legte es neben ein Talglicht, um es besser betrachten zu können. Dergleichen hatte er noch nie zuvor gesehen. Außen bestand es aus einer Art weichem Holz, das mit Leder überzogen war. Hierauf waren wieder merkwürdige Zeichen zu sehen. Die Ecken waren kunstvoll mit Metall beschlagen. Man konnte es wie eine Schachtel aufklappen und es kamen viele hintereinander gelegte dünne Blätter oder Häutchen zum Vorschein, die an einer Seite fest mit dem Rahmen verbunden waren. Auf jeden einzelnen dieser Blätter befand sich wiederum eine Unzahl von Zeichen, sorgsam in Reihen angeordnet. Radik hielt sich das Ding dicht vor Augen, als könnte er dann den Sinn dieser offensichtlich mühevollen Arbeit besser begreifen. Es war für ihn dennoch nicht einmal erkennbar, wie diese Darstellungen aufgebracht worden waren. Er befeuchtete seinen Finger und rieb vorsichtig an einem der Zeichen. Nach einer ganzen Weile löste sich etwas Farbe ab, die er neugierig betrachtete und zwischen den Fingern zerrieb.
Auf dem zweiten Blatt entdeckte Radik eine Zeichnung, die ein Abbild dieses eigenartigen hölzernen Kreuzes sein mochte, das er kurz zuvor noch in den Händen gehalten hatte. Hier war aber noch ein bärtiger Mann zu sehen, der nur ein Tuch um die Lenden trug und seinen Körper dem Kreuz anzupassen schien und auf dessen Kopf sich ein seltsamer Kranz befand.
So grenzenlos wie das Unverständnis über Sinn und Zweck dieses Gegenstandes war Radiks Interesse an ihm und die Neugier ließ ihn ganz in eine intensive Betrachtung versinken. Jede Ausschmückung am Rande der Blätter fuhr er mit den Fingern nach und spürte eine Begeisterung, als gelte es ein großes Geheimnis zu entdecken.
Die Tür wurde stürmisch aufgerissen. Radik legte alles wieder an seinen Platz und trat geschwind durch den Vorhang ins vordere Zimmer.
"Hast du schon wieder Hunger?", fragte Rusawa, deren Nase und Wangen hochrot waren, mit Blick auf die Speisekammer.
"Ich hoffe du hast mir etwas zu essen mitgebracht."
"Wir waren doch nicht jagen, sondern haben nur Holz gesammelt", sagte die Kleine empört, "Aber hier, das habe ich extra für dich gepflückt."
Sie holte aus einem kleinen Ledersäckchen eine Handvoll Beeren hervor und steckte Radik sofort eine in den Mund. Diese war sehr wohlschmeckend, wenn auch nicht so süß und etwas trockener, als die Beeren, die sie gewöhnlich im Sommer sammelten.
"Nun zieh dir die dicken Sachen aus!"
Radik legte ein paar Scheite Holz im Ofen nach und ging anschließend zum Stall.
Der Alte führte gerade das Pferd hinein, dessen Atem in der kalten Luft eine Dampfwolke bildete. Es war ein kleines aber kräftiges dunkelbraunes Tier, das sich ruhig von Womar führen ließ.
"Hallo Kaila!", begrüßte Radik das Tier.
"Kaila?", fragte der Alte verwundert zurück.
"Ja. Als du uns gerettet hast, habe ich noch mitbekommen, dass du dein Pferd so nanntest."
"Mein Pferd?"
Der Alte brach in schallendes Gelächter aus und konnte sich kaum wieder beruhigen.
"Oder war es das andere Tier?"
"Kaila ist doch ein weiblicher Name. Und dies hier ist, wie man erkennen kann, ein Hengst.", meinte der Alte erheitert.
"Also ist das andere Pferd eine Stute?", fragte Radik, der wegen der Reaktion Womars etwas verunsichert war.
"Eine Stute. Ja, ja – eine Stute. Aber kein Pferd."
Nun wusste Radik gar nicht mehr weiter.
"Dieses Pferd heißt einfach
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