Svantevit - historischer Roman (German Edition)
über den Kopf.
"Dein Schwesterchen hat sich ja erstaunlich schnell erholt", und mit einem deutlichen Augenzwinkern meinte er: "Ein so munteres, kluges und beredsames Kind lässt sich durch ein kleines Eisbad doch nicht unterkriegen."
"Fünf Tage sind wir schon hier?", fragte Radik, "Dann werden sich unsere Eltern ja bereits große Sorgen machen!"
Er richtete sich langsam auf.
"Willst du etwa im Nachthemd nach Hause laufen?", fragte Rusawa und kicherte.
Erst jetzt bemerkte Radik, dass er ein leinenes Hemd trug, das ihm bis zu den Knien reichte.
Der Alte legte ihm die Hand auf die Schulter.
"Ich habe einigen Händlern gesagt, sie sollen die Nachricht übermitteln, dass ein Junge namens Radik und sein Schwesterchen Rusawa in Sicherheit sind. Leider wusste ich nicht, von wo ihr genau stammt. Rusawa konnte mir nur sagen, dass es ein Fischerdorf bei der großen Burg ist."
"Ja, dort wo der Geist mit den drei Köpfen steht", flüsterte Rusawa mit ernster Mine.
"Kein Geist. Svantevit ist ein Gott!", erwiderte Radik lachend.
"Aber er hat drei Köpfe", meinte die Kleine beharrlich und mit weiterhin bedenklicher Miene.
"So viel ich weiß, ist das doch nur eine Holzfigur. Dein Bruder aber ist aus Fleisch und Blut und damit das so bleibt, muss er unbedingt eine Kleinigkeit essen. Immerhin hat er zwei Tage nur Kräutersud zu sich genommen", sagte Womar und Rusawa stürmte sogleich durch den Vorhang in den anderen Teil des Hauses.
Etwas später saßen alle drei am Tisch. Radik fühlte sich bereits deutlich besser. Womar hatte weitere Talglichter angezündet und im Ofen etwas Holz nachgelegt. Rusawa, die sich im Haus bereits bestens auszukennen schien, deckte im Laufschritt den Tisch. Zuerst schleppte sie ein großes Brot heran, dann eine Platte mit gepökeltem Fleisch, eine weitere mit geräuchertem Fisch und schließlich einen großen Topf mit Honig. Letzterer hätte seinen Inhalt über den Fußboden ergossen, wenn Radik nicht im letzten Augenblick mit zugepackt hätte.
Der Alte stellte ihm einen Becher mit frischem Kräuteraufguss hin.
"Den solltest du zur Stärkung ruhig noch eine Weile trinken."
Kaum, dass Radik damit seine Lippen benetzt hatte, verzog er das Gesicht wegen des bitteren Geschmackes.
"Du musst einen Löffel Honig hineintun", riet Rusawa und schob den großen Honigtopf mit beiden Händen zu ihm hinüber, "Das haben wir auch gemacht, als du noch geschlafen hast."
Jetzt konnte sich Radik endlich den merkwürdigen süßen Geschmack erklären, welchen er nach seinem Erwachen verspürt hatte.
"Ihr solltet noch mindestens zwei Tage hier bleiben, bis du wieder ganz bei Kräften bist."
Womar legte jedem eine Scheibe des frischen Brotes auf sein Brett.
"Nein, wir müssen so schnell wie möglich nach Hause. Falls unsere Eltern deine Nachricht nicht erhalten haben, werden sie sich wahnsinnige Sorgen machen. Vielleicht sucht man uns."
"Lass uns doch noch bisschen hier bleiben", bettelte Rusawa mit vollem Mund.
"Wir können doch nicht hier ruhig rumsitzen, wenn man uns im Dorf für tot hält", blieb Radik hartnäckig.
Womar sagte schließlich: "Heute ist es bereits zu spät. Es wird bald dunkel und bis dahin habe ich noch andere Dinge zu erledigen. Morgen früh werde ich euch mit dem Schlitten zu euren Eltern bringen. Aber nun esst erst mal tüchtig. Bevor du mir nicht sicher auf den Beinen stehen kannst, bringe ich dich nirgendwo hin."
Schmunzelnd reichte er Radik ein großes Stück Pökelfleisch. Rusawa bekam ein ebenso mächtiges Stück. Offenbar wusste Womar bereits, dass Rusawa es nicht mochte, wenn man ihr kleinere Portionen zuteilte, obwohl sie kaum die Hälfte aufzuessen schaffte.
"Wie heißt dieses Dorf?", fragte Radik.
"Hier ist kein Dorf. Nur dieses Haus und ein Stall."
"Wir sind mitten im Wald", fügte Rusawa hinzu.
Nach dem Essen zog sich der Alte seinen dicken Pelzmantel an und setzte eine Fellmütze auf. Er wollte etwas Holz schlagen und die Tiere versorgen. Rusawa bettelte so lange, bis er sie mitnahm.
Radik wollte die Gelegenheit nutzten, um sich etwas umzusehen. Auf einer Leine in der Nähe des Ofens hingen seine Leibsachen. Schnell zog er sich um und war froh, das leinene Nachthemd loszuwerden. Anschließend ging er vor die Tür. Die Helligkeit zwang ihn, seine Augen zusammenzukneifen, obwohl die Sonne schon tief am Himmel stand. Ringsherum war alles weiß verschneit.
Das Haus schien tatsächlich mitten zwischen Bäumen auf einer Lichtung zu stehen. Zu allen Seiten schloss
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