Svantevit: Radiks Geschichte - Historischer Roman (German Edition)
mitzuteilen, wann sie die Heringsfässer, die sie erworben hatten, vom Dorf abholen könnten. Für Radik war dies eine lästige Pflicht, die er so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte.
Er liebte den schnellen Galopp genauso wie Kuro, dessen Mähne nun wieder verwegen im Wind wehte. Obwohl es noch am frühen Nachmittag war, hingen dicke Nebelschwaden über dem Land, die sich den ganzen Tag nicht aufgelöst hatten. Doch Radik kannte den Weg blind und lenkte Kuro durch kaum wahrnehmbare Bewegungen an den Zügeln und sanfte Stöße in die Flanken.
Als er an einer engen Stelle vorbei ritt, die zu beiden Seiten durch Schlamm und Moor unpassierbar war, hörte er plötzlich links hinter sich Rufe, die rasch leiser wurden. Radik verlangsamte das Tempo und lauschte, aber es war nichts mehr zu hören. Der verzweifelte Tonfall in der Stimme des Rufers bewegte ihn aber schließlich dazu umzukehren. Als er die Stelle erreicht, an der er die Laute vernommen hatte, blieb alles ruhig.
"Hallo?", rief Radik unsicher und sofort erschall als Antwort ein fast flehendes: "Hilfe! Bitte helft mir!"
So schnell es ging, lenkte Radik sein Pferd in die Richtung des Rufers. Er stieg ab und ging behutsam vorwärts.
"Du musst weiter rufen, wenn ich dich finden soll!", brüllte Radik laut und sofort waren die flehenden Worte wieder zu hören.
Schließlich stand Radik am Rand eines Moorlochs, in dessen Mitte sich etwas bewegte. Es sah zunächst wie ein ganz eigenartiges Wesen aus, als würde aus einem Tier ein Menschenkopf herauswachsen, aber Radik erkannte schließlich, dass der Mann einen Pelzmantel umgehängt hatte, der nur am Hals verschlossen war und sich so, als der Mann bis zum Kinn versank, um ihn herum auf dem Moor ausbreitete.
Radik konnte erst gar nicht verstehen, wie dieser Kerl in die missliche Lage kommen konnte. Er hatte noch nie gehört, dass dieser Sumpf gefährlich sei. Vielleicht lag es ja am Wetter. Normalerweise fängt der Sumpf recht flach an und wird langsam tiefer. Kein normaler Mensch, der vorne bereits einsinkt, geht so lange weiter, bis er völlig untergeht, zumal ein Weitergehen ohnehin spätestens unmöglich wird, wenn der Sumpf bis zu den Hüften steht. Jetzt aber war die Oberfläche leicht gefroren und dieser Mann, sicherlich kein Einheimischer, war wie in Eis eingebrochen und dies an einer bedrohlich tiefen Stelle.
"Ich werde dir helfen. Kannst du deine Arme herausstrecken?"
Der Mann mühte sich und brachte schließlich beide Arme hoch, aber völlig steif, fast wie abgebrochene Äste.
"Versuche, dich nicht zu sehr zu bewegen, damit du nicht tiefer einsinkst!"
Eigentlich war dieser Hinweis überflüssig, denn Radik erkannte, dass die Kälte die Bewegungsmöglichkeiten des Mannes ohnehin einschränkte.
Ohne Hilfsmittel kam er an ihn nicht heran. Er blickte sich um, konnte aber nichts Brauchbares erkennen. Ohnehin bezweifelte Radik, dass sich der Mensch an einem Stock oder Seil würde festhalten können.
"Ich komme gleich wieder!"
"Nein. Hol´ mich bitte hier raus! Ich erfülle dir jeden Wunsch! Ich bin ein vermögender Kaufmann! Hol´ mich hier raus!"
Radik ritt zu einem nicht entfernten Fischerdorf, das fast wie ausgestorben wirkte. Offensichtlich hatten alle auf dem Heringsmarkt zu tun, so dass er es für Zeitverschwendung hielt, nach geeigneten Helfern zu suchen. Er fand schnell, was er brauchte und kehrte unverzüglich zum Moorloch zurück.
"Ich werfe jetzt ein Netz über dich! Es hat ziemlich große Maschen! Versuche, deine Hände und Unterarme dort hindurch zu winden und dich möglichst fest darin zu verstricken!"
Das Netz sauste über den Kopf des Mannes, der sogleich, wenn auch langsam, mit seinen Armen in der Luft zu rudern begann. Radik holte inzwischen den Hengst so dich heran, wie es gefahrlos möglich war und ließ ihn erst halten, als die Hufe leicht einsanken und feuchter Schlamm hervorsickerte.
"Bist du so weit?", fragte Radik und nach einigem Zögern antwortete der Mann mit einem ängstlichen: "Ja."
Radik hatte Kuro fest bei den Zügeln gepackt und gab ihm nun das Zeichen langsam vorwärts zuschreiten. Gleichzeitig musste er den Mann beobachten, um das Ziehen sofort zu unterbrechen, falls es Schwierigkeiten geben sollte. Das Pferd wäre ohne Zweifel stark genug, dem armen Kaufmann die Arme auszureißen.
"Du musst fest zupacken!", rief Radik erneut und da der Mann stumm blieb und nicht vor Schmerzen schrie, lenkte Radik seinen Hengst einen weiteren Schritt voraus.
Das Netz
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