Svantevit: Radiks Geschichte - Historischer Roman (German Edition)
auch völlig ahnungslos.
Als Radik die Tante Ludisa aufsuchte, brach diese nur in jämmerliches Schluchzen aus, was Radik nun auch nicht weiter half.
Zwei Tage ritt Radik durch die Gegend und fragte Fährleute, ob sie sich erinnern könnten, im letzten Frühjahr ein Mädchen mitgenommen zu haben, mit dunkelrotem Haar und ein Pferd habe sie bei sich geführt.
"Im letzten Frühjahr sagtest du? Weißt du, wie viele Menschen wir hier jeden Tag übersetzen. Ich könnte mich wohl kaum an sie erinnern, wenn sie erst letzte Woche Gast auf meinem bescheidenen Boot gewesen wäre", meinte ein Fährmann, der mit seinem Kahn nach Stralow pendelte.
Ähnlich waren überall die Reaktionen, einige schüttelten über die Frage auch nur ungläubig den Kopf.
Vor ihrem übereilten Aufbruch war Kaila noch nach Vitt geeilt und hatte Radiks Bruder etwas außerhalb des Dorfes abgefangen, um ihn zu bitten, ab und an nach Womar zu schauen. Es wunderte Radik ohnehin, dass sie ihren alten Großvater einfach so zurückgelassen hatte. Aber auch Ivod hatte sie nichts Weiteres mitgeteilt.
´Es muss etwas vorgefallen sein, was große Furcht in ihr ausgelöst hat´, war er sich sicher.
Vor allem interessierte ihn natürlich, wo sie jetzt stecken könnte. Er machte sich Sorge um sie, denn es war beileibe nicht ungefährlich, als junge Frau allein unterwegs zu sein.
"Wo bist du nur?", flüsterte Radik, als er allein im Wald auf einem Baumstumpf saß, genau an der Stelle, wo er sie das erste Mal gesehen hatte.
Er presste das Gesicht in seine Hände.
Immer wieder gab er sich selbst die Schuld, dass er sie überhaupt zurückgelassen hatte und unfähig war, ihr jetzt zu helfen. Dies bedrückte ihn derart, dass ihm seine ganze Umgebung egal zu werden schien.
Verzweifelte Suche
Nachdem der Heringsmarkt beendet und der Tross der Händler abgereist war, verfiel Radik in die gleiche Apathie wie zuvor.
Er ging bald wieder mit auf Fischfang und tat seine Arbeit sehr gut. Er rackerte von früh bis spät, legte nur zum Essen kurze Pausen ein und schaffte jeden Tag soviel wie sonst zwei Fischer.
Auch Tätigkeiten, die er früher verabscheute und vor denen er sich gern zu drücken versucht hatte, führte er jetzt ohne Murren aus. So saß er abends und flickte Netze oder baute Reusen. Mochten seine Hände hart zupacken, sich seine Beine fest gegen den Boden stemmen, wenn die vollen Netze aus dem Wasser gehievt wurden, Radiks geistige Anteilnahme beschränkte sich darauf, sich selbst wie von fern bei der Arbeit zuzusehen, während er wieder und wieder die selben Bewegungen ausführte.
Auch Ferok war Radiks Veränderung aufgefallen und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Wenn er vorschlug, dieses oder jenes gemeinsam zu unternehmen, schützte Radik jedes Mal eine Arbeit vor, die es noch zu erledigen gelte. Er vergrub sich in die Arbeit und kehrte nur zum Schlafen heim.
"Was ist nur mit dir los, Junge? Soll das nun ewig so weitergehen? Du musst dir mal den Kopf freimachen", sagte die Mutter eines Abends.
"Was willst du? Ich tue meine Arbeit", antwortete Radik kurz angebunden.
"Deine Arbeit, ja, mit freudloser Härte gegen dich selbst. Du bist jung und musst die Sache nun vergessen. Das Leben liegt doch noch vor dir!"
"Welche Sache soll ich vergessen?", fragte Radik mit streitsüchtigem Unterton.
Die Mutter blickte sich zum Vater um, der nur langsam den Kopf schüttelte.
Regelmäßig sah Radik bei Womar vorbei, wo er es allerdings auch nie allzu lange aushielt. Alles dort erinnerte ihn zu sehr an Kaila und ließ ihn schier verrückt werden, bei dem Gedanken, dass sie seine Hilfe benötigen könnte.
Eines Tages kam Womar ganz aufgeregt aus dem Haus gelaufen, als Radik eintraf.
"Ich habe rein zufällig etwas erfahren, was vielleicht etwas Licht in das Dunkel bringen könnte!", rief er Radik entgegen. "Aber lass uns erst in das Haus gehen", meinte er und sah sich merkwürdig um.
Radik konnte es vor Neugier fast nicht mehr aushalten.
"Ich war gestern auf der Burg, dem Rugard. Dort hörte ich, dass man im Frühjahr des letzten Jahres den Tod eines der Bewaffneten zu beklagen hatte. Nun ist der weder im Schlaf gestorben noch bei irgendwelchen Scharmützeln umgekommen. Ihm wurde, als er wohl recht betrunken ein Wirtshaus verließ, die Kehle durchgeschnitten. Dies verwunderte, da ein Geldbeutel, den er offen bei sich trug, vom Täter nicht mitgenommen wurde. Auch galt er sonst als sehr beliebt, soll ein geselliges Wesen besessen
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