Svantevit: Radiks Geschichte - Historischer Roman (German Edition)
des Morgens die ersten Sonnenstrahlen den Horizont erhellten, war Radik bereits bei den Booten, stets vor den anderen Fischern. Es war bald gewohnte Normalität, dass er die Netzte vorbereitete und verteilte, sowie andere Dinge erledigte, die getan werden mussten, bevor der Fischfang beginnen konnte. Den meisten der Männer war diese Bereitschaft Radiks willkommen, bedeutete es doch für sie eine Erleichterung der Arbeit in den ungeliebten Morgenstunden. Andere, die Radik gut kannten und ihn mochten, beobachteten dieses Verhalten mit Sorge, zumal Radik auch am Abend der letzte war, der sein Boot auf das Ufer zog.
Berge von Fischen, silbern in der Sonne blinkende, nasse Leiber, schaffte er täglich mit seinem Boot an Land. Es war stets dasselbe eintönige Werk. Radik hasste diese glitschigen Massen, ihren Gestank, das Zappeln der langsam sterbenden Fische, ihre starren, kalten Augen, die seltsam glotzten, während die Kreaturen widerlich ihr Maul bewegten, als würden sie zu sprechen versuchen. Es war, als würde er sich selbst bestrafen, indem er härter arbeitete als jeder andere, obwohl er schon als Kind die Vorstellung gehasst hatte, das Leben lang Fischer zu sein. Des Nachts träumte er davon, unter Bergen dieser nassen, kalten Silbertiere begraben zu werden.
Radik war jung, groß von Wuchs und kräftig. Die Verletzungen waren gut abgeheilt, der Körper hatte sich von allen Strapazen und Auszehrungen längst wieder erholt. Er aß mit großem Appetit, trank keinen Alkohol und begab sich am Abend nach getaner Abend zeitig zum Schlafen. Daher war nicht zu befürchten, dass er durch die hohe Arbeitsleistung, die er sich selbst abverlangte, Schaden nehmen würde.
Doch dies war es auch nicht, was Freunde und Bekannte, vor allem aber seine Eltern und Geschwister, befürchteten. Es war vielmehr die Trauer, die Wehmut und letztlich das Unglücklichsein, welche sich in diesem Verhalten Radiks zeigten, die sie so sehr beunruhigten. Aus dem freundlichen, aufgeschlossenen Jungen war ein zurückgezogener, in sich gekehrter junger Mann geworden, der sich außer für die tägliche Arbeit für nichts zu interessieren schien, selten und dann nur für Augenblicke fröhlich war und auch in Gesprächen meist wortkarg blieb.
"Was war er früher manchmal für ein Hitzkopf", meinte der Vater eines Tages zur Mutter und zu Radiks Geschwistern, "Erinnert ihr euch, wie Radik eine Zeit lang von der Tempelgarde geschwärmt hat. Unbedingt wollte er später einmal dazugehören, nur nicht Fischer werden. Was habe ich ihn schelten müssen, wegen dieses Unfugs. Am liebsten hätte er damals wohl geheult vor Wut, aber wer ein starker Krieger werden will, tut so etwas natürlich nicht."
"Fast jeden Tag hat Radik mit Ferok im Wald den Schwertkampf geübt. Wie verrückt haben sie aufeinander eingedroschen. Und erinnert ihr euch, als die beiden das Reiten erlernten. Zunächst hatten sie nur aufgeschlagene Knie und einen dreckigen Hosenboden, geradeso wie manch ein Trunkener, dem das Gehen nicht mehr recht gelingen will", fügte Ivod hinzu, was für Heiterkeit sorgte.
"Ich weiß gar nicht, was daran so schön sein soll, ein Krieger zu sein", sagte Rusawa nachdenklich, "Das ist doch gefährlich!"
Die Mutter ließ einen bedrückenden Seufzer vernehmen. Sie hatte den kleinen Bosad auf dem Schoß, der nun bald fünf Jahre alt wurde.
"Das Mädchen, diese Kaila, hatte in dieser Hinsicht ja einen guten Einfluss auf Radik. Auf einmal war sein Interesse an der Tempelgarde völlig erloschen. Und was dieser Womar ihm alles beigebracht hat, manchmal dachte ich schon, der Junge übernimmt sich völlig", sagte sie wehmütig, "Heute wäre ich direkt froh, wenn ihn die blauen Gewänder der Tempelgardisten wieder faszinieren würden."
Der Vater grübelte.
"Könntest du nicht mal darüber mit deinem Bruder sprechen?", sagte er schließlich zu seiner Frau, "Der Junge soll ja nicht gleich das Kriegshandwerk erlernen, aber irgendetwas muss ihn auf andere Gedanken bringen."
"Ich werde es versuchen", stimmte die Mutter zu, "Alles andere ist besser als so, wie es jetzt ist."
Es war der erste kühlere, wolkige Sommertag nach einer Zeit großer Hitze, in der die Sonne unbarmherzig von Himmel gebrannt und jede Bewegung für Mensch und Tier zur Qual gemacht hatte. Radik genoss es daher sehr, nun wieder im scharfen Galopp auf seinem Hengst über die Felder und Wiesen zu reiten.
Das schwarze Fell des Pferdes begann nach einer Weile schwitzend zu
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