Svantevit: Radiks Geschichte - Historischer Roman (German Edition)
eigennützigen Ratschläge der müden Arme und Beine!"
"Und …", setzte einer der Burschen etwas verlegen an, "wirst du bald die Führung der Tempelgarde übernehmen?"
Radik war nun vierundzwanzig Jahre alt. Wie unglaublich schnell sich sein Aufstieg vollzogen hatte, merkte er stets besonders dann, wenn er mit neuen Gardisten zusammen war. Ihn beschlich dabei stets das Gefühl, noch einer von ihnen zu sein und er registrierte immer wieder erstaunt und seltsam verlegen, welche Bewunderung ihm entgegengebracht wurde, die weit über das übliche Maß an Disziplin hinausging.
"Ihr könnt es wohl gar nicht abwarten, gänzlich unter meine Knute zu geraten?!"
"Lieber so, als …"
Radik wusste, dass Nipud als erbarmungsloser Schleifer bei den Rekruten ziemlich unbeliebt war. Aber bei wem war er dies nicht?
"Ich hoffe, davor kann ich euch bewahren. Besser gesagt: uns."
Der Rückzug der Sachsen wurde von den Ranen als kriegerischer Erfolg bejubelt. Dass Heinrich der Löwe den Feldzug aus ganz anderen Gründen abgebrochen und man bei Stralow nur eine Horde Plünderer vertrieben hatte, wusste hier natürlich niemand und dies hätte ohnehin keiner geglaubt.
Zwei Tage lang wurde in der Burg ausgelassen gefeiert und wie bei solchen Anlässen üblich, schien es keinen Mann zu geben, der nicht sturzbetrunken war. Es galt geradezu als anstößig, sich nicht in einen totalen Rausch zu versetzen.
Diese Zeit hatte Radik für seine Vorbereitungen genutzt und er war zuversichtlich, dass sein Plan gelingen würde. Die Stimmen in der Versammlung von Arkona waren gut verteilt. Ein Teil stand dem Adel zu, insbesondere den Fürsten, und ein anderer Teil der Priesterschaft. Radik wusste um seine Gunst bei den Fürsten. Es galt also, die Priester von sich zu überzeugen und dabei kam ihm das weiße Pferd natürlich wie gerufen.
Radik hatte sich etwas von der besten Kreide besorgt, die auf der Insel zu finden war, diese in Wasser aufgelöst und dann das Pferd mit einer dünnen Schicht der Flüssigkeit benetzt. Nach dem Trocknen war dies beim Berühren des Pferdes kaum zu spüren, aber dem Anblick tat es eine überraschende Wirkung. Das Weiß des Fells war makellos und strahlend, kräftig und hell. Diesen kleinen Trick glaubte Radik sich erlauben zu können.
Ungesattelt und ungezäumt, nur an einem lockeren Strick führte Radik den Schimmel zur Burg. Noch bevor er nach dem Oberpriester schicken lassen konnte, waren einige der anderen Priester beim Anblick des Pferdes zusammengeeilt. Mit großen Schritten und wehendem Gewand kam der Oberpriester auf Radik zu, die Augen fest auf das ruhig dastehende Tier gerichtet.
"Wie kommst du … woher …?"
Radik erzählte eine kleine Geschichte, die er sich zurechtgelegt hatte und die so zwar nicht ganz richtig, aber auch nicht völlig frei erfunden war. Der Oberpriester war ein mächtiger Mann, er würde schon herausfinden, ob das Pferd für seine Zwecke taugte oder nicht, Geschichte hin oder her.
Mitten im Kampf habe das Pferd seinen sächsischen Reiter abgeworfen und sei direkt zu ihm gelaufen, berichtete Radik. Sämtliche Pfeile, die ihm die Sachsen hinterhergeschossen hätten, wären weit vorbei geflogen oder wie Wassertropfen vom Schweif des Pferdes abgeperlt.
Bei diesen Worten erhellte sich das Gesicht des Oberpriesters immer weiter und wie selbstverständig nahm er Radik den Strick aus der Hand, den dieser ihm nur allzu gern überließ, und führte das Pferd weg.
Für den Abend war die Versammlung von Arkona einberufen und Radik war dorthinbestellt worden. Zuvor hatte er noch erfahren, dass es Nipud gelungen war, bei dem Scharmützel um Stralow mit seinen Männern einen Panzerreiter zu überwinden. Allerdings konnte der Mann nicht gefangen genommen werden, da er tödlich getroffen worden war. Doch waren seine Waffen und Rüstung eine sehr beachtliche Beute. Diese hatte Nipud mit viel Wirbel nach Arkona geschafft, völlig sicher, jedermann von seinem Erfolg tief beeindruckt zu wissen. Er ließ keine Zweifel daran, dass er der Meinung war, ihm allein gebühre nun die Führung der Tempelgarde.
Am Abend beschlich Radik dann doch ein mulmiges Gefühl. Er wusste nicht, was der Oberpriester inzwischen mit dem Pferd angestellt hatte. Hätte er die Kreide nicht doch lieber weglassen sollen? Und hatte er mit der Geschichte nicht etwas dick aufgetragen? Vielleicht hatten sich die Priester ja bei anderen Gardisten danach erkundigt. Und wenn schon, nur er selbst wusste schließlich, wie es
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