Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
Sven. »Wer ist denn nun im Recht, Opa?«
»Beide, mein Junge. Die Regierung in London ist manchmal sehr ungeschickt und müsste generell den Kolonien mehr Mitspracherechte einräumen. Und die Leute, die nach Amerika auswanderten, taten es sehr häufig, weil sie sich von ihren Regierungen in Europa nicht schikanieren lassen wollten. Sie sind eine besonders unabhängige Sorte Mensch. Aber auch sie müssten einsehen, dass man nicht Schutz ohne Gegenleistung in Anspruch nehmen kann.«
Auch in Svens Schule merkte man etwas von dem Konflikt, der die Menschen in Kritiker und Verteidiger der Londoner Politik spaltete. Die Schüler spürten schon, dass einige Lehrer mehr zu dieser, andere zu jener Richtung neigten, auch wenn sie sich im Unterricht zurückhielten.
Und dann kam es zu dem Ereignis, das die Stimmung in den Kolonien entscheidend veränderte. Es war ein schönes Frühjahrswochenende im Jahr 1765. Astrid hatte sich sehr beeilt, weil sie zwei deutsche Freundinnen in Philadelphia besuchen wollte, bevor sie Sven im Internat abholte. Ihr Vater, der sie begleitete, wollte Mr Bradwick treffen.
Der empfing ihn in gereizter Stimmung. »Hast du schon gehört, Ingmar, dieser verdammte Grenville hat eine Stempelsteuer für die amerikanischenKolonien durchgesetzt. Für jedes Blatt Papier, das bedruckt wird, also alle Urkunden, Lizenzen, Genehmigungen, aber auch Zeitungen, müssen wir Steuern zahlen, die direkt an England abgeführt werden.«
Opa Larsson nahm die Nachricht gelassener auf. »Warum regst du dich so auf, William? Diese Steuer haben die Engländer doch schon über sechzig Jahre im eigenen Land.«
Bradwick schlug mit der Hand auf den Tisch. »Ja, aber ihre Vertreter im Parlament haben der Steuer zugestimmt. Für uns hat niemand zugestimmt. Sind wir keine freien Bürger? Keine Steuer ohne Zustimmung der Vertreter des Volkes!«
Als Kapitän Larsson zum Internat kam, stand Astrid schon wartend dort. Sven lief seinem Opa entgegen und umarmte ihn.
»Was ist das mit der Stempelsteuer, Opa? Die Lehrer reden alle davon, und ich habe gehört, wie zwei sich richtig darüber gestritten haben.«
Der Opa strich Sven übers Haar. »Eine Stempelsteuer bedeutet, dass für alle Zeitungen, Urkunden, Zeugnisse, Eintragungen, Lizenzen ein amtlicher Stempel nötig wird, für den eine Abgabe bezahlt werden muss. Mit den Einnahmen will die Regierung in London einen Teil der Ausgaben tilgen, die der letzte Krieg in Amerika gekostet hat. Da wir daheim kaum amtliche Bescheinigungen gebrauchen und nur einmal wöchentlich die Zeitung erhalten, werden wir das wenig spüren.«
Astrid mischte sich ein. »Mir haben meine Freundinnen die beiden deutschen Zeitungen mitgegeben, den ›Philadelphischen Staatsboten‹ von Miller und die Quäkerzeitung aus Germantown von Christoph Sauer. Miller ist strikt gegen die Steuer, Sauer zeigt Verständnis für sie. Aber ich muss beide noch genau lesen und werde euch dann berichten.«
»William Bradwick spuckt auch Gift und Galle, so wütend ist er«, ergänzte der Opa.
»Warum denn? Er wird doch auch nicht viel zahlen müssen«, erkundigte sich Sven.
»Junge, ihm geht es ums Prinzip. Freien Menschen darf keine Steuer ohne Zustimmung ihrer gewählten Vertreter auferlegt werden. Wir haben aber keine gewählten Vertreter im Londoner Parlament, nur in unseren Versammlungen in den Kolonien.«
»Vater, das wäre ja wohl für uns auch kaum möglich, gewählte Vertreter in London zu haben. Bis wir von denen eine Nachricht erhalten und ihnen antworten, ist ein Vierteljahr vergangen. Einar und ich haben in unserer Wildnis nie etwas von Wahlen gehört«, wandte Astrid ein.
Das Thema ließ sie nicht mehr los. Flammende Proteste überschwemmten die Zeitungen. Der Verleger William Bradford ließ sein »Pennsylvania Journal« mit schwarzem Trauerrand erscheinen und kündigte die Aufgabe der Zeitung aus finanziellen Gründen an. Die Bürgerversammlungen in den Kolonien verfassten Resolutionen gegen das Gesetz. Bürger schlossen sich zur geheimen Gesellschaft der »Söhne der Freiheit« zusammen. In einigen Städten rotteten sich Bürger zusammen und bewarfen Amtsgebäude mit Steinen und Tomaten.
Neun der dreizehn Kolonien schickten Vertreter zu einem Kongress gegen die Stempelsteuer nach Philadelphia. Zeitungen riefen zum Boykott britischer Waren auf. Nur wenige Bürger trauten sich noch, die britische Politik zu verteidigen. Freundschaften zerbrachen über diesem Streit.
Dr. Wilbur hatte viel
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