Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
dich um! Siehst du etwas?«
Sven blickte nach rechts, nach vorn und nach links. Da war nichts.
»Nein«, antwortete er.
»Das kostet dich mindestens drei Tage keinen Landgang, wenn ein Steuermann das merkt, du Trantüte. Willst du nicht einmal nach achtern sehen?«
Sven drehte den Kopf nach hinten und wäre beinahe abgerutscht, weil er sich mit der linken Hand nicht mehr fest genug angeklammert hatte.
»Das hätte dich das Leben kosten können! Und was siehst du?«
»Ein Segel, hinten links.«
Adam stöhnte in gespieltem Schmerz. »Dein Großvater wird sichim Grabe umdrehen. Das heißt: Backbord achteraus, drei Meilen. So musst du es dem Deck melden. Du weißt doch, wie die Seiten des Schiffs genannt werden.«
»Ja«, gab Sven kleinlaut zu.
»Na, also. Sieh dich noch um. Dann lassen wir den richtigen Ausguck wieder ran und machen weiter in unserem Übungsprogramm.«
Als zum Mittagessen gepfiffen wurde, war Sven restlos kaputt. Die Fußsohlen schmerzten und waren wohl auch hier und da aufgescheuert. Die Armmuskeln taten ihm weh, so sehr hatte er sich immer wieder festklammern müssen. Auf der Blinderah am Klüverbaum hätte ihn eine Welle fast weggerissen. Wieder war er nass geworden. Aber Adam hatte nur gemeint, das trockne schon. Die Sonne scheine ja.
Und dann musste er Segel anknüpfen, hochziehen, festbinden und was sonst noch alles. Er hatte die Ankerwinde etwas gelockert und wieder versucht festzuziehen, was ihm ohne Hilfe von Adam und einem anderen Matrosen aber nicht gelang. Dann hatte er bei einem Trupp zugegriffen, der Taue mit Teer einrieb. Er hatte die Hände gar nicht wieder sauber bekommen, nicht mit Bürsten, heißem Wasser und Sand. Jetzt wusste er, warum Seeleute immer in den Rillen und unter den Fingernägeln schwarzen Dreck hatten.
»Die Taue, die nicht bewegt werden, also das ›Stehende Gut‹, müssen geteert werden, sonst verrotten sie«, hatte Adam nur erklärt und ihn weiter gescheucht.
Mechanisch stopfte Sven das warme Pökelfleisch, das Sauerkraut und die Kartoffeln in sich hinein. Wieder gab es Tee oder Kaffee. Aber es gab auch Seeleute, die schenkten sich aus eigenen Flaschen einen Schluck Rum ein. Jetzt hätte Sven eine Pause gebraucht. Aber Adam mahnte schon: »Jetzt wirst du eine Weile das Ruder halten, und dann erkläre ich dir, was an der Kanone zu tun ist, damit du beim Exerzieren mitmachen kannst.«
Der Rudergänger überließ Sven das Ruder und gab ihm den Kurs an. »Süd-Süd-West, achtzehn Punkte.«
Sven kam die Erinnerung an die Kompassrose, die ihm sein Opagezeigt hatte. Sie hatte 32 Striche oder Punkte. Die ersetzten die feine Gradeinteilung und waren praktischer. 18 Striche waren ungefähr 200 Grad. Aber da rief Adam schon: »Halt das Ruder stetig!«
Bei seinen Gedanken hatte Sven nicht aufgepasst, dass er auf wechselnden Winddruck mit dem Ruder reagieren musste. Jetzt lagen schon zwanzig Punkte als Kurs an. Hastig drehte er das Ruder zurück.
»Langsam!«, mahnte Adam. »Du übersteuerst!«
Vorsichtig drehte Sven etwas zurück. So! Jetzt lagen wieder achtzehn Punkte an.
»Nun achte auf die Segel! Sie müssen immer prall gefüllt sein. Wenn sie flattern und der Wachhabende nicht von sich aus reagiert, musst du ihm das melden.«
Sven hielt das Ruder noch eine Weile, und da der Wind stetig aus einer Richtung wehte, war das keine Kunst, und er dachte, das sei ja nun nicht so schwer. Aber da erklärte Adam: »Als Rudergänger braucht man gute Leute. Wenn der Wind dauernd umspringt, ist es höllisch schwer, das Schiff auf Kurs zu halten. So, jetzt gib es mal wieder an Ben ab!«
Sie gingen zur Kuhl und zogen die Persenning von der mittleren Kanone. Adam erklärte ihm, wie die Teile hießen, ließ ihn Wurm, Wischer, Rammer und Handspaken anfassen und demonstrierte dann, mit welchen Handgriffen eine Kanone geladen, ausgerannt, gerichtet und abgefeuert wurde. Er warnte ihn, nie in der Bahn zu stehen, in der die Kanone nach dem Abfeuern zurückrollte.
»Die Kanone wiegt etwa zwanzig Zentner. Da bleibt kein Knochen heil, wenn dich der Rückstoß trifft. So, und nun nimm mal eine Rundkugel in die Hand.«
Sven fand sie ziemlich schwer.
»Ja, die schlägt auf zweihundertfünfzig Meter noch durch über zwanzig Zentimeter dicke Balken. Aber treffen muss man schon.«
»Traut sich denn da ein Pirat überhaupt ran?«, fragte Sven.
»Das kommt drauf an. Ein gut armierter Schoner mit vier Achtpfündern auf der Breitseite, der kann uns glatt zusammenschießen. Die
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