Sven Larsson Bd. 2 - Unter der Flagge der Freiheit
kam zur entgegengesetzten Schlussfolgerung.
Warum konnten sich die Leute an Land so schwer entscheiden? »Weil deine Fragen für sie nicht real sind und weil für sie keine weit reichenden Konsequenzen davon abhängen. Du müsstest einen Offizier fragen, aber der denkt nicht über die Folgen militärischen Handelns für Familien nach«, erklärte ihm Sabrina.
Aber dann traf er doch einen Major, den er einmal bei seinem Prisenagentenin Philadelphia kennen gelernt hatte. Der gab ihm einen kurzen, klaren Überblick über die militärische Situation.
»Die Briten haben die ganze Halbinsel von ›Upper Ferry‹ am Schuylkill-Fluss bis hinüber zum Delaware auf der Höhe des Zusammentreffens von Germantown und Frankfort Road durch zehn kleine Forts abgeriegelt. Sie haben auch auf Carpenters’ und Province Island am Ufer des Schuylkill Batterien errichtet, um Fort Mifflin zu bekämpfen. Sie bringen jetzt mit kleinen Lastschiffen Lebensmittel und Nachschub östlich von den Billings-Inseln, durch den Bow Creek und den Mingo Creek bis zum Schuylkill-Fluss und dann auf dem Landweg nach Philadelphia. Das reicht aber nicht hin und nicht her. Wenn die Briten den Delaware nicht freikämpfen können, müssen sie verhungern oder abziehen.«
»Und wie beurteilen Sie die britischen Aussichten, den Delaware freizukämpfen?«
Der Major lächelte etwas verlegen. »Kapitän Larsson, Sie erwarten eine ehrliche Antwort, aber die wäre nicht so schmeichelhaft für die Flotte.«
»Das werde ich aushalten, Major Radlof. Nur zu!«
»Die britischen Chancen stehen nicht schlecht. Fort Mifflin ist schlampig gebaut, erst halb fertig und karg bemannt. Fort Mercer ist besser konstruiert, hat aber auch eine zu geringe Besatzung und könnte nur mit guter Flottenunterstützung aushalten. Die fehlt aber nach Ansicht der Armee. Wir haben zwar auch mit der schlecht ausgebildeten Miliz unsere Sorgen, aber die Flotte des Staates Pennsylvania ist im Niveau noch schlechter. Die Posten sind nicht nach Fähigkeiten, sondern nach Gunst und Beziehung besetzt. Der Kommodore ist der sechste in knapp zwei Jahren. Jeder hat seine Günstlinge in Ämter gebracht. Die Mannschaften sind schlecht ausgebildet und unzufrieden. In jedem Monat desertieren etwa hundert Mann. Wie soll man damit die effektivste Flotte der Welt besiegen?«
Sven seufzte. »Etwas besser hatte ich es schon erwartet. Aber andererseits: Die Briten hatten ein paar Hundert Jahre Zeit, ihre Verwaltungen, ihre Flotte und Armee aufzubauen. Bei uns sind es knapp zwei Jahre. Da geht noch vieles drüber und drunter.«
Major Radlof nickte. »Unseren Leuten fehlt der Drill. Viele Männer sind gute Schützen, aber sie können ihr Gewehr nicht mit geschlossenen Augen laden. Wenn sie unter Beschuss stehen, verwechseln sie die Handgriffe. Wir haben jetzt ausländische Offiziere, um unsere Armee zu drillen, den Franzosen Lafayette und den Preußen von Steuben zum Beispiel. In einem Jahr wird es besser aussehen.«
»Das ist in unserer Flotte beim Kanonendrill besser. Da erreichen wir britische Standards. Aber darf ich noch eine persönliche Frage anschließen? Für wie gefährdet halten Sie Zivilisten In Gloucester?«
Der Major sah ihn erstaunt an und dachte kurz nach. »Liegt etwas seitab«, sagte er schließlich. »Wenn die Briten über den Delaware vorstoßen, tun sie das bei Coopers Point oder weiter flussabwärts am Salem Creek. Wir haben auch nur wenig Miliz in Gloucester. Aber ungefährdet ist niemand, wenn um den Delaware gekämpft wird. Auch unsere Milizen rauben und plündern, und Mordbanden werden immer häufiger. Volle Sicherheit gibt es nicht mehr.«
Sven war nach dem Gespräch eher niedergedrückt. In Gedanken versunken ging er an einem älteren Herrn vorbei, der aus einem Haus trat.
Der stutzte und sagte dann laut: »Nanu! Was habe ich dem Sven Larsson denn getan, dass er den Freund seines Großvaters nicht mehr kennt?«
Sven stutzte, erfasste den Sinn der Worte und schaute sich um. Ja, das war der Anwalt Leifrath, ein enger Freund seines Großvaters, der ihm bei seinen Besuchen oft Süßigkeiten mitgebracht hatte. Er zog den Hut und entschuldigte sich. Leifrath war sehr alt und gebeugt, aber er schaute munter drein und beschwichtigte Sven. »Du warst in Gedanken, mein Junge. Aber gut siehst du aus. Du kannst mich begleiten. Ich geh meine Tasse Kaffee trinken bei Adamson. Die Kaffeestube kennst du doch noch?«
Sven war nicht so nach weiteren Erzählungen, aber er wollte den alten
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