Sweet about me
Wangen und eine Dreiliterflasche Champagner in die Hände. Applaus gab es auch, der kam wahrscheinlich vom Band.
» Wo ist meine irische Butter?«
Frau Hauensteins Blick war statt dankbar zornig und verzweifelt.
» Welche irische Butter?«, fragte ich und versuchte, den Blick der Alten zu kopieren.
» Und«, sagte Frau Hauenstein in einem Ton, als hätte ich ihr schmutzigen Sex angeboten, » Ravioli mit Tomatensoße esse ich nicht. Immer nur Gemüseravioli! Immer nur, immer nur! Den Fraß hier kannst du zum Atommüll tun!« Und dann, etwas weniger unfreundlich: » Wo ich gerade davon rede. Kannst du meinen Müll mit runter nehmen? Ist ja praktisch ein Weg.«
Im Kellerraum, in dem die Abfallbehälter der Hausbewohner untergebracht waren, brannte Licht. Heike trug dicke Arbeitshandschuhe. Es war ihr anscheinend nicht peinlich, dass ich mitbekam, wie sie in Frau Hauensteins Mülleimer herumwühlte.
» Man muss das vier- bis fünfmal am Tag kontrollieren«, sagte Tom, der in unserem Wohnzimmer mit Bohrmaschine und Wasserwaage arbeitete. Es gab noch viel zu tun auf dem Schlachtfeld unserer Wohnung.
» Die Alte achtet doch nicht darauf, ob ihre verdammten Kippen noch brennen«, sagte Tom. » Ist der doch egal, wenn’s zu einem Schwelbrand kommt, die hat ihr Leben ja längst hinter sich. Ins Altersheim gehört die, in die Klapsmühle! Am besten, ihr beachtet die gar nicht. Soll die doch sehn, wo sie bleibt.«
Ich nickte.
» Eines Tages«, sagte Tom voller Wut, aber ohne seine Arbeit zu unterbrechen, » eines Tages wird sie uns alle umbringen mit ihrer Kettenraucherei. Schläft mit ’ner brennenden Zigarette ein, Matratze brennt, Haus brennt. Aus.«
Über uns bellten die Hunde, als sei das große Feuer bereits ausgebrochen.
Das Getöse in meinen Ohren, das Zirpen und Sirren nahm zu. Selbst wenn man sich den Hörnerv durchtrennen ließ, würden die Ohrgeräusche andauern, hatte ich im Internet gelesen. Harter Regen pickte an den Fensterscheiben. Ein Lichtstrahl fiel ins Zimmer, erlosch. » Schläfst du?«, flüsterte ich.
» Ja«, antwortete Betty schroff.
Eine Kirchenglocke läutete, ich zählte mit bis zwölf. Betty atmete ungleichmäßig. Ich berührte ihren Oberschenkel, Betty drehte sich weg. Draußen jetzt Polizei- oder Feuerwehrsirenen. In der Wohnung über uns lachten Tom und Heike. Sie sahen einen Film, in dem Gebrüll, Schießereien und Explosionen die Hauptrolle spielten. Plötzlich richtete sich Betty auf. Sie schaltete ihre Leselampe an.
» Was ist passiert, nachdem du Maya am Strand gefunden hast?«, fragte sie. » Worüber habt ihr gesprochen?«
» Was soll das jetzt wieder?«, sagte ich genervt.
Ich blieb liegen, Betty den Rücken zugewandt, Kopf im Kissen vergraben. Mir war kalt.
» Hab dir das alles doch schon zehntausendmal erzählt! Als ich Maya finde, steht sie vor einem Wellenbrecher. Sie zittert vor Kälte, lächelt aber. Ich gebe ihr die Jacke, sage, dass mir mein blöder Anfall leidtut. Dann ein paar Sätze über meinen zweiten Vater, dass er mich bei jeder Gelegenheit Memme und Versager und Heulsuse genannt hat. Und wie sehr ich diese Worte hasse. Maya sagt: ›Dann bin ich ja eigentlich diejenige, die um Entschuldigung bitten muss.‹ ›Quatsch‹, sage ich und nehme sie in den Arm, drücke sie. ›Alles mein Fehler, was hast du mit diesem alten Kram zu tun! So, und nun ab ins Haus, unter die heiße Dusche, sonst erkältest du dich!‹ Zum Schluss sage ich ihr, dass ich noch ein bisschen am Strand bleiben will, den Sonnenuntergang anschauen. Maya gibt mir einen Kuss und läuft in die Richtung unserer Ferienwohnung …«
» Aber warum hat sie weinend am Straßenrand gestanden?«, fragte Betty. » Warum war sie so durcheinander, dass sie nicht auf das Auto geachtet, es gar nicht wahrgenommen hat? Du musst doch irgendwas gesagt, getan haben! Da muss doch was ganz Furchtbares passiert sein …«
Über uns kläfften die Köter, Tom und Heike amüsierten sich.
Ohne meine Antwort abzuwarten, sagte Betty: » Es gibt übrigens Ärger in der Agentur.« Sie strich ihre Decke glatt. » Die haben einen Großauftrag für die CDU an Land gezogen. Ich soll das Layout machen und die Präsentation leiten. Ich will das aber nicht.«
» Find ich gut«, antwortete ich und setzte mich auf. » Du weißt, ich hab die Schwarzen noch nie leiden können. Andererseits«, fügte ich rasch hinzu und dachte an den entschwundenen Gerster, » ist die CDU auch keine Nazipartei.«
» Darum geht’s nicht«,
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