Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
Vom Netzwerk:
June und löste ihre Schürze. “Warum bleibt ihr nicht noch ein bisschen, Elmore und du?”
    Nona blieb stehen. Langsam legte sie die Schürze, die sie in der Hand hielt, auf die Arbeitsfläche. “Soll das eine Einladung zum Essen sein?”
    “Aber natürlich”, antwortete Mama June. Sie griff nach ihrer Schürze mit den zahllosen Marmeladenflecken, knüllte sie zusammen und warf sie auf einen Stuhl. Als sie aufsah, waren ihre Augen hell und einladend. “Meinst du, das geht?”
    Die beiden Frauen blickten sich an. In all den Jahren hatten sie zwar oft zusammen gegessen, aber dies war die erste offizielle Einladung für Nona und ihren Mann, als Gäste am Sonntagsessen der Blakelys teilzunehmen.
    Langsam erstrahlte ein Lächeln auf Nonas Gesicht. “Das wäre wirklich schön. Das können wir bestimmt.”
    “Hier kommt er!”
    Kristina bugsierte Prestons Rollstuhl hinaus auf die hintere Veranda, wo der Rest der Familie ihn stehend erwartete und mit großem Hallo begrüßte. Alle waren bestens gelaunt. Mama June half Preston in seinen Stuhl am Kopfende des Tisches – zum ersten Mal, seit er wieder zu Hause war. Seine Augen glänzten vor Stolz und der tiefen Zufriedenheit, die sie schon so oft gesehen hatte, wenn er auf seine geliebte Plantage hinausschaute. Aber dieses Mal bedachte er seine Familie mit ebendiesem Blick, und Mama June war so ergriffen, dass sie das Gefühl hatte, ihr Herz würde zerspringen.
    Sie blickte in die Runde. Rechts von Preston saß Nona neben ihrem Mann. Neben Elmore saß Nan, deren Augen vor Stolz leuchteten, als sie ihre Söhne auf der anderen Seite des Tisches anschaute. Mit der Unbekümmertheit der Jugend war Harry und Chas gar nicht bewusst, welche Freude sie ihrer Mutter an diesem Abend machten oder wie stolz ihre Großeltern waren. Es würde noch viele Jahre dauern, bis ihnen klar werden würde, dass eine herzliche Geste Eltern viel mehr bedeutete als ein gekauftes Geschenk. Kristina setzte sich an das andere Ende des Tisches, und Mama June war sich absolut sicher, dass niemandem entging, wie Morgan sich wie selbstverständlich neben sie setzte. Blackjack lag ein paar Schritte vom Tisch entfernt und nagte zufrieden an einem Knochen.
    Als Mama June sich auf den Stuhl neben Preston gesetzt hatte, nahmen sich alle bei den Händen, und sie sprach das Tischgebet. Während sie die Worte sprach, spürte sie die enge Verbindung zu allen am Tisch. Die Menschen, die ihr auf der ganzen Welt am wichtigsten waren, saßen hier zusammen. In den vielen Jahren ihres langen Lebens hatte sie noch viel mehr Menschen getroffen – einige wunderbare, charmante Menschen, die sie sehr gemocht hatte, andere dagegen waren unangenehme, selbstsüchtige oder egozentrische Menschen gewesen, die sie niemals wiedersehen wollte.
    Aber im Herbst ihres Lebens erkannte sie, dass die wenigen Menschen, die ihr wirklich etwas bedeuteten, diejenigen waren, die ihr in guten wie in schlechten Zeiten beigestanden hatten. Und diese wenigen saßen an diesem Abend an ihrem Tisch. Sie spürte, wie Preston ihre Hand drückte, und als sie aufsah, merkte sie, dass er dieselben Gedanken hatte.
    Mit einem kraftvollen “Amen!” ließen alle die Arme sinken und griffen sofort nach den Schüsseln. Und von der Veranda drang Gelächter, als die Köstlichkeiten von einem zum anderen wanderten – genau wie die Geschichten, die dazu erzählt wurden.
    Später am Abend fuhren Adele und Hank vor dem Haus vor. Der wendige hellblaue Jaguar nahm die Kurven mit Leichtigkeit und kam vorm Eingang zum Stehen. Adele trat auf die Bremse und schaute auf das Haus, in dem sie aufgewachsen war. Die Veranda war hell erleuchtet, und trotz der geschlossenen Autofenster konnten sie die Gesprächsfetzen und das Gelächter hören. Neugierig fuhr Adele noch ein Stück weiter, um die Szenerie besser beobachten zu können.
    “Hört sich an wie eine Party”, stellte Hank fest.
    Adele antwortete nicht. Sie drückte auf den elektrischen Fensterheber, und mit einem leisen Surren glitten die Scheiben herunter. Die Nacht war kühl, und eine frische Brise war aufgekommen – das perfekte Wetter für einen Abend auf der Veranda. Über dem Zirpen der Grillen und den entfernt quakenden Fröschen hörten sie die sanfte Melodie der Gespräche und das leise Klirren von Gläsern.
    Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte Adele die einzelnen Menschen um den langen Tisch unterscheiden. Sie erkannte die schmalen Umrisse von Mama June. Aber wer war das

Weitere Kostenlose Bücher