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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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Marmeladendeckel gelauscht und bei jedem neuen Plopp leise gelacht.
    “Der Tisch ist voll. Wo essen wir denn heute Abend?”, fragte sie.
    “Es ist so schön heute, da dachte ich, wir essen draußen auf der Veranda”, antwortete Mama June. “Wir haben bereits angefangen, dort zu decken, aber du könntest mal nachsehen, was noch fehlt. Morgan ist da draußen und macht das Eis.”
    “Morgan? Das muss ich sehen.”
    Die Veranda war frisch gefegt, und das blassrosa Tischtuch flatterte leicht in der sanften Brise. Auf dem Tisch standen Vasen mit Gerbera in allen möglichen Schattierungen von Pink und schmale Kerzen. Gedeckt war mit dem guten Geschirr und glänzendem Besteck. Bald würden Mama June und Nona Schüsseln mit Essen heraustragen und jeden Zentimeter freier Fläche in Beschlag nehmen.
    “Hallo, Schwesterchen”, rief Morgan, der ganz außer Atem war, weil er gerade die Eismasse rührte. “Was grinst du so?”
    “Hallo, Morgan”, antwortete sie lächelnd. “Ich dachte nur, wie festlich so ein einfacher Tisch bei Mama June aussieht.”
    “So ist eben unsere Mutter.”
    Mama June kam heraus und wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. “Was ist mit eurer Mutter?”
    Nan wurde ganz warm ums Herz, als sie sie betrachtete. In all den Jahren hatte sich ihre Mutter erstaunlich wenig verändert. Auch wenn sie ihre Mutter immer wieder aufzog, sie solle ihre Haare machen lassen und moderne Kleider anziehen, war die klassische, zeitlose Schönheit ihrer Mutter nur allzu offensichtlich. Ihre Kleider waren schlicht, aber von bester Qualität. Ihr Gesicht war erstaunlich glatt, nur mit ein paar feinen Falten um ihre auffallend schönen Augen. Ihr schneeweißes Haar trug sie so geflochten wie seit Jahren. Doch heute Abend sah sie trotzdem verändert aus. Nan bemerkte, dass ihre Augen besonders glücklich strahlten.
    “Ich habe deinen Tisch gelobt.”
    “Ach, danke, Nan. Man tut, was man kann.”
    “Im Ernst, Mama, ich gebe es gerade auf. Jahrelang habe ich versucht, bei mir zu Hause auch das gemeinsame Essen hochzuhalten, aber es ist wirklich schwer. Die Jungs stöhnen schon, wenn ich nur davon anfange.”
    “Kann man es ihnen verübeln?”, witzelte Morgan.
    “Ich meine es ernst”, antwortete Nan und machte ein verdrießliches Gesicht. “Und all die Zeit, um das gute Porzellan mit der Hand zu spülen und jedes Stück Silberbesteck zu polieren. Wie schaffst du das nur alles, Mama?”
    “Das war ja bei mir auch nicht immer so”, gab sie trocken zurück.
    Nan erinnerte sich an diese traurige Zeit. Von einem Tag auf den anderen hatte es kein Sonntagsessen mehr gegeben, und für eine halbe Ewigkeit hatte ihre Mama das Zimmer nicht verlassen. Im Haus, das immer von Lärm und Lachen erfüllt gewesen war, war es plötzlich totenstill.
    Man konnte Nan offenbar ansehen, woran sie dachte, denn ihre Mutter trat zu ihr und legte den Arm um ihre Schulter.
    “Warte nur, bis deine Söhne älter sind und ausziehen. Dann wirst du jede Menge Zeit haben. Und wenn du erst Großmutter wirst …”, sie drückte Nans Schulter, “dann hast du Zeit und gleichzeitig Lust an solchen Kleinigkeiten und wirst es genießen können. Pack deine guten Gläser und dein teures Porzellan in eine Kiste und heb es für später auf, Liebling. Nimm so lange Pappteller, wenn es sein muss. Das Wichtigste ist nur, dass die Familie zusammenkommt. Es geht nichts über die Familie.”
    Nan nickte, aber ihr verzagtes Lächeln zeigte Mama June, dass etwas nicht stimmte.
    Die Stimmungen ihrer Tochter waren zu extrem – sie war eine Spur zu gut gelaunt, und ihre Stimme klang ein bisschen zu hoch.
    “Na, stimmt irgendwas nicht?”
    “Doch, doch.” Nans Unterlippe zitterte, als sie ein schiefes Grinsen zeigte.
    “Aber ich kann es sehen. Komm, wir setzen uns einen Moment”, sagte Mama June und lotste Nan zu einem Stuhl. Sie warf Morgan einen fragenden Blick zu, doch der zuckte nur hilflos die Schultern. Sie gingen zu den Schaukelstühlen aus weißem Holz, die in der Ecke standen, und setzten sich. Nan starrte auf ihre Hände.
    “Was ist denn los?”
    “Ach, gar nichts”, murmelte Nan. “Ich bin einfach übermüdet.”
    Mama June sah, dass das nicht alles war. “Du verheimlichst mir etwas”, sagte sie sanft.
    Nan sah auf. “Das ist meine Angelegenheit, Mama.”
    Mama June betrachtete ihre Tochter, die mit starrem Blick vor ihr saß, obwohl ihre Lippen verdächtig zitterten. Nan hatte ihre Gefühle noch nie erfolgreich verbergen können.

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