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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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neben ihr? Nona? Ja, tatsächlich! Und neben ihr …
    “Ist das Nan?”, fragte sie Hank.
    Hank beugte sich vor und warf einen Blick zur Veranda. “Ja”, murmelte er knapp und klang ausgesprochen kühl.
    “Und Harry und Chas?”
    Er zögerte. “Ich dachte, sie würden nicht kommen.”
    Sie spürte eine leichte Eifersucht, weil die beiden Jungen nach Sweetgrass gefahren waren. “Ich dachte, du hast deine Frau unter Kontrolle.” Sie kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, wer an der Kopfseite des Tisches saß. Sie hielt die Luft an, als sie einen Blick auf das schlohweiße Haar erhaschte.
    “Preston sitzt mit am Tisch! Wusstest du, dass es ihm so viel besser geht?”
    “Er kann schon eine ganze Weile wieder sitzen.”
    “Tatsächlich?” Adele blickte Hank scharf an und vergaß sofort ihre Überraschung. “Das wusste ich nicht. Das hast du mir gar nicht erzählt. Ich dachte, er würde immer noch regungslos im Bett liegen.”
    “Aber nein. Sie haben ihn ziemlich schnell wieder auf die Beine bekommen. Das ist Mama Junes Verdienst. Sie hat wie eine Löwin dafür gekämpft, dass er wieder seinen angestammten Platz in der Familie einnehmen kann.”
    “Was hat dieser Mann für ein Glück”, murmelte Adele.
    “Preston?”, spottete Hank. “Na, ganz bestimmt. Der Mann sitzt im Rollstuhl, kann weder sprechen noch laufen, und du sagst, er hat Glück.”
    Adele sah den Mann neben sich in ihrem Auto forschend an. Hank sah jünger aus als vierzig. Er arbeitete hart, hatte eine große Zukunft vor sich und besaß eine wunderbare Familie. Jeder hätte angenommen, dass er kerngesund war. Doch sie wusste, dass er wegen seines hohen Blutdrucks verschiedene Medikamente nehmen musste.
    “Wer weiß”, sagte sie. “In ein paar Jahren könntest du genauso im Rollstuhl sitzen. Schüttele nicht mit dem Kopf”, fuhr sie mit einem ironischen Lächeln fort. “Noch am Tag vor seinem Schlaganfall sah Preston aus, als könnte er Bäume ausreißen. Aber was du dir mal überlegen solltest: Wenn es dich mal erwischen sollte und du im Rollstuhl sitzt, werden dann deine Kinder am Sonntagabend zum Essen kommen?”
    Hanks Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. Er antwortete nicht, sondern sah hinüber zur Veranda, von der gerade wieder ausgelassenes Lachen zu ihnen herüberwehte.
    Adele musste an Nächte wie diese denken, als sie noch ein junges Mädchen und dies ihr Zuhause gewesen war. Sie hatte vergessen, was ihr diese Geborgenheit bedeutet hatte. Damals hatte niemand in der Gegend eine Klimaanlage besessen. An den meisten Sommerabenden hatte man den Tisch abgeräumt, um sich anschließend gemeinsam auf die Veranda zu setzen und die kühle Abendluft zu genießen. Vom Fluss war stets eine frische Brise herübergeweht, und die Fliegengitter hatten die Mücken ferngehalten. Das Radio hatte gedudelt, Daddy hatte die Zeitung gelesen, Mama war mit Näharbeiten beschäftigt gewesen, und sie hatte mit Preston und Tripp eine Runde Karten oder ein Brettspiel gespielt. Die Grillen hatten gezirpt. Nichts Besonderes. Man hätte sich ebenso gut über die Langeweile beklagen können.
    “Mir tut es fast leid, ihnen den Abend zu verderben.”
    “Es
muss
aber sein”, sagte er gereizt. “Die Papiere sind unterschrieben, datiert und müssen in die Post. Und wenn wir uns nicht dranhalten, werden unsere Kunden sich ein anderes Objekt aussuchen. Es bringt nichts, noch bis morgen zu warten. Wir sind hier, und alles ist bereit. Lass uns die Angelegenheit hinter uns bringen und die Nachwirkungen morgen bedenken.”
    Adele wusste, dass er recht hatte. Unschlüssig warf sie noch einen Blick zur Veranda. Dort bewegte sich etwas, und man hörte, wie Stuhlbeine über den Holzboden scharrten. Die Familie war offenbar auf dem Weg ins Haus.
    “Nun gut”, sagte Adele gedehnt. “Du gibst Morgan die Papiere. Ich warte hier.”
    Adele saß in ihrem Auto und rauchte eine Zigarette, während Hank die Papiere übergab. Ihr war nur zu bewusst, dass sie allein in der Dunkelheit saß und auf das Haus starrte, das nie ihr eigenes werden würde.
    Der Gedanke brachte einen tiefen Schmerz zurück, der ihr noch immer die Tränen in die Augen trieb. Sie hatte ein Vermögen für Psychiater ausgegeben, doch die Verbitterung in ihr war mächtiger als sie. Sie kam einfach nicht darüber hinweg. Das Gefühl war so alt und reichte so tief, dass es sie zu dem Menschen gemacht hatte, der sie heute war.
    Adele hatte nie geheiratet, hatte nie für einen Mann ihre

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