Sweetgrass - das Herz der Erde
mit Hank.”
Mama June machte ein enttäuschtes Gesicht. “Na, dann eben nicht.”
“Ich habe versucht, mit dieser Frau zu sprechen, doch sie lässt nicht mit sich reden. Dies hier sind offizielle Papiere. Damit ist es amtlich. Daddys Deal mit ihr war mehr als ein Handschlag. Adele hat einen Kaufinteressenten für den Besitz, und sie will verkaufen – ob wir nun mitmachen oder nicht. So wie es aussieht, haben wir keine Wahl. Morgen früh kommt Adeles Anwalt mit einem Kaufangebot.”
Die anderen reagierten wie erwartet mit wütender Ablehnung und Unglauben. Morgan beobachtete seine Mutter. Sie saß still auf ihrem Platz und starrte auf ihre Hände.
“Ich ertrage nicht, dass so etwas passieren muss”, platzte Nan heraus.
“Ja, wieso macht Daddy so was?”, wollte Harry wissen. Er lümmelte schmollend auf seinem Stuhl. “Was ist los mit ihm? Interessieren wir ihn denn gar nicht mehr? Ich meine, gehört er nicht auch zur Familie?”
“Er ist eben ein Idiot”, antwortete Chas und blickte trotzig in die Runde.
“Kinder, redet nicht so über euren Vater”, wies Mama June die beiden zurecht. “Selbst wenn wir anderer Meinung sind als Adele und Hank, bin ich mir sicher, dass sie tun, was sie für das Beste halten.”
“Das Beste für wen?”, erwiderte Nan. In ihren Augen stand die Wut auf ihren Mann. “Adele wird dieses Geschäft ein Vermögen einbringen. Kriegt sie nie genug? Sie hat bereits das ganze Land der Mitchells gekauft.”
Morgan riss die Augen auf. “Das ganze Land der Mitchells?”
“Mit allem Drum und Dran. Daraus soll ein neues Wohnviertel werden mit ich weiß nicht wie vielen Häusern.”
“Mein Gott, dann ist mein ganzes Sweetgrass dahin!”, rief Nona entsetzt und schlug die Hände vor den Mund. “Sie werden im Nu überall Verbotsschilder aufstellen!”
Elmore nickte mit ernstem Blick. “Es wird verloren sein für uns, das steht mal fest. Es gab einmal eine Zeit, da war hier alles voller Sweetgrass, von dem sich jeder nehmen konnte. Es wuchs wie Unkraut. Und genauso Binsengräser und Kiefernnadeln. Bei all diesen Baustellen und Häusern überall kann ich es kaum noch finden. Wenn unser Geheimplatz auch noch verloren geht, weiß ich auch nicht mehr weiter.”
“Es tut mir so leid”, sagte Morgan mit gesenktem Kopf. “Ich wünschte, ich könnte es für euch retten.”
“Das ist ja nicht deine Schuld”, sagte Nona und tätschelte seinen Arm. Sie kannte diesen Jungen seit seiner Geburt. Er war ein guter Junge, und das alles lag nicht in seiner Hand. “Du bist nach Hause gekommen, um nach deinem kranken Vater zu sehen. Niemand erwartet von dir, dass du Berge versetzt.”
Nona beeilte sich, nach ihrer großen schwarzen Handtasche zu greifen, die neben ihrem Stuhl stand. “Wir gehen jetzt besser”, murmelte sie und sah Elmore auffordernd an. “Vielen Dank für die Einladung zum Abendessen.”
Elmore, ein groß gewachsener schlanker Mann, erhob sich mit ruhiger Würde.
Morgan wandte sich an seine Schwester. Als Hank Morgan die Unterlagen übergeben hatte, war Nan vor Wut explodiert. Mama June, die verhindern wollte, dass Preston gestört würde, hatte die beiden nach oben geschickt, damit sie sich dort allein unterhalten konnten. Offensichtlich war das Gespräch nicht positiv verlaufen. Nans Augen waren rot gerändert, und ihr Gesicht wirkte blass und angespannt.
“Fahrt ihr auch nach Hause?”, fragte er.
“Nein. Mama June hat gesagt, ich könnte mit den Jungs heute Nacht hierbleiben.”
Er sah Harry und Chas an. Die Jungen saßen auf ihren Stühlen und starrten betreten auf ihre Hände.
“Verstehe”, sagte er und dachte bei sich, dass es immerhin ein Fortschritt war, wenn seine Schwester gegenüber Hank nicht mehr so leicht nachgab.
“Wir gehen am besten schlafen”, sagte Nan. “Jungs …”
“Ich dachte, ich könnte einen Ausweg finden”, stieß Morgan hervor, als sie sich bereits zum Gehen gewandt hatten. “Bobby und ich hatten einen Plan, aber mit dieser Kreditgeschichte …” Er schluckte und fühlte die Enttäuschung der anderen. Er senkte den Kopf und sprach leise, fast mehr zu sich selbst. “Ich sehe keine Möglichkeit, wie wir eine solche Summe zurückzahlen könnten. Dafür reicht die Zeit einfach nicht. Es tut mir leid.”
Später an diesem Abend, nachdem Nona und Elmore gegangen waren, kam Mama June zu Prestons Büro und warf einen Blick hinein. Sie sah Morgan an dem großen Schreibtisch sitzen, den schon sein Vater, sein Großvater und
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