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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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wurde schmaler. Dann lag sein Vater wieder im Dunkel, und mit einem leisen Klicken fiel die Tür zwischen ihnen ins Schloss.
    Morgan floh vor der Enge des Hauses und lief einfach los. Er hatte kein Ziel vor Augen, er musste sich nur bewegen und Abstand gewinnen zu den anderen im Haus.
    Auf der Veranda schlief Blackjack tief und fest. Aber sobald er Morgans Schritte hörte, hob er den Kopf und stand schwerfällig auf. Seine Beine zitterten vor Anstrengung, doch sein schwarzer Schwanz wedelte freudig. Ohne auf ein Wort zu warten, folgte er Morgan die Stufen hinunter und blieb an seiner Seite.
    Der Kies knirschte unter seinen Füßen, als er durch die Nacht rannte, und er fühlte die Spannung in seiner Brust ganz allmählich weichen. Er steckte seine Nase in den Wind und atmete tief ein. Spät am Abend frischte die Brise häufig auf und trug eine süße Luft herbei, deren Duft er immer mit der Küste in Verbindung bringen würde.
    Er liebte seine Ranch in Montana. Er schlief gerne in der klirrenden Kälte der Berge ein und schloss die Augen, wenn draußen vor seinem Fenster die Eulen riefen, die Berglöwen schauerlich brüllten und irgendetwas Unbekanntes sich in der Dunkelheit herumtrieb.
    Aber er konnte nicht bestreiten, dass die sanfte Meeresbrise, die so intensiv nach Salz roch, ihm durch Mark und Bein ging.
    Das war der Grund, warum er so lange weg gewesen war. Es fiel ihm einfach zu schwer, nach Hause zurückzukehren. Sweetgrass war in seinem Blut wie in dem von Generationen vor ihm. Ob er wollte oder nicht, er liebte diesen Ort.
    Wenn sein Vater das wüsste, würde er den Kopf schütteln und sagen, das sei mal wieder typisch für Morgan, dass er diese Liebe erst erkannte, als er dabei war, diesen Ort endgültig zu verlieren.
    Morgan war hundemüde und ausgelaugt. Er fühlte sich wie ein kriegsmüder Soldat vor seiner letzten, bereits verlorenen Schlacht. In dieser Nacht vor seiner Niederlage fühlte er zum ersten Mal eine Verbindung zu seinen verstorbenen Vorfahren, die auch einmal für eine verlorene Sache gekämpft hatten. Sein Vater hatte ihm immer gesagt, dass zum Verlieren auch eine Portion Edelmut gehörte. Und dass ein Kampf auch für eine längst verlorene Sache, an die man fest glaubte, heldenhaft war.
    Morgan hoffte so sehr, er würde etwas von dieser Heldenhaftigkeit in sich spüren. Wo waren dieses Selbstbewusstsein und das Vertrauen in die eigene Stärke, die sein Vater als Eigenschaften eines tapferen Ritters genannt hatte? Wo war der unerschütterliche Glauben an die eigene Sache, der den Samurai den Mut gab, sich im Angesicht der Niederlage lieber in ihr eigenes Schwert zu stürzen, als sich zu unterwerfen?
    Was ihn am meisten quälte, war nicht die Tatsache, dass er dieses Stück Land nicht hatte retten können. Das wäre ein echtes Wunder und unglaubliches Glück gewesen. Die Geschichte und die Herrlichkeit der einst so stolzen Plantage namens Sweetgrass hätten fortbestanden, wenn auch auf andere Art und Weise. Die Toten konnten für sich selber sorgen.
    Nein, sein Versagen erkannte er in den Augen der Lebenden, die an diesem Land hingen, das ihnen alles bedeutete und das sie zusammenhielt. Denn dieses wunderbare alte Haus, die ehrwürdige Eichenallee, das felsige Kliff über dem Wasser, das im Wind wogende Sweetgrass zwischen den schmalen Bächen – all das war es, was sie letzten Endes ausmachte. Als sie ihn angeschaut hatten, hatten sie daran geglaubt, dass er diesen Ort retten könnte und es auch tun würde.
    Nun, er konnte es nicht. Er war niemandes Erlöser. Er konnte sich ja nicht einmal selbst retten.
    Er lief die Allee entlang und dachte daran, dass er einen Großteil seines Lebens damit verbracht hatte, die Einsamkeit zu suchen. Aber in dieser Nacht, unter der Mondsichel, die über dieser schmalen Straße stand, mit einem Hund an seiner Seite, fühlte er die Last der Einsamkeit mehr als jemals zuvor.
    “Geh wieder schlafen”, sagte er zu Blackjack, als sie nach Hause zurückkehrten.
    Blackjack sah ihn unsicher an, als fühlte er, dass etwas nicht stimmte.
    “Na los, alter Junge”, beharrte Morgan und streichelte den breiten Kopf des alten Hundes. “Ich komm schon zurecht.”
    Blackjack trottete davon und lief in seinem staksigen Gang die Stufen zur Veranda hinauf.
    Morgan wandte sich ab, lief mit langsamen Schritten weiter, bis er zu dem kleinen weißen Backsteinhaus mit der grünen Tür kam. Er hob die Hand und klopfte.
    Nach ein paar Minuten ging ein Licht an. Der Schein der

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