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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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Lampe drang durch die Fenster nach draußen. Die Tür wurde geöffnet.
    Kristina stand vor ihm, mit einer Hand am Türrahmen. Sie trug Boxershorts und eine Art Leibchen. Später erinnerte er sich daran, dass es dehnbar war und blasslila, mit kleinen rosa Blüten am Kragen. Aber in diesem Moment sah er nur ihr unglaubliches Haar, das ihr verschlafenes Gesicht leuchtend umrahmte, und ihre großen ausdrucksstarken Augen, die instinktiv alles zu verstehen schienen, was ihn in diesem Moment bewegte.
    Sie breitete die Arme aus, und mit gesenktem Kopf trat er ein.
    Es war spät geworden. Mama June hatte gerade ihre abendliche Bibellektüre beendet, als plötzlich ihre Schlafzimmertür aufgestoßen wurde und Nan mit weit aufgerissenen Augen hereinstürmte. Sie hielt den Saum ihres langen weißen Nachthemds in ihren zusammengeballten Händen, und der Stoff raschelte, als sie zum Bett ihrer Mutter rannte.
    “Was ist denn? Bist du in Ordnung?”, fragte Mama June, setzte ihre Lesebrille ab und legte sie zusammen mit der Bibel auf den Nachttisch.
    Nan kletterte auf das Bett, zog die Beine unter ihr Nachthemd und kuschelte sich eng an ihre Mutter. Sie sah blass aus, aber ihre Augen glänzten.
    “Du zitterst ja! Hier, leg dir das Tuch um die Schultern. Was um Himmels willen ist passiert?”
    Nan blinzelte angestrengt, als müsste sie sich erst einmal sammeln. “Ich … Ich habe gerade einen Geist gesehen!”
    Mama June sank zurück in ihre Kissen. “Nein!”
    “Wirklich!”, sagte Nan atemlos. “Ich kann es selbst kaum glauben.”
    “Ich schon. Erzähl mir, was geschehen ist.”
    “Ich lag weinend wie ein kleines Mädchen im Bett, als ich plötzlich dieses komische Gefühl hatte, dass da noch jemand im Raum war.” Ihre Stimme überschlug sich fast vor Aufregung. “Ich habe aufgesehen, und da war am Fußende meines Bettes … ich weiß nicht, wie ich es erklären soll … so eine Art verschwommene weiße Gestalt.”
    “In einem altmodischen Kleid?”
    “Ja!”, rief sie aufgeregt, weil ihre Mutter wusste, wovon sie sprach. “Und eine Mütze. Mama, glaubst du, dass das Beatrice war?”
    “Ja, das war sie. Schatz, du hast gerade deine Urur-und-so-weiter-Großmutter gesehen.”
    Nan starrte sie ungläubig an. “Das kann nicht sein”, murmelte sie.
    “Da bist du nicht die Erste.”
    “Ich weiß. Die Geschichten habe ich oft genug gehört. Ich habe nur nie daran geglaubt.” Sie grinste schief. “Aber jetzt tu ich es!”
    Mama June lächelte und überlegte, was Beatrice wohl im Schilde führte, wo sie doch erst ihr und nun Nan erschienen war. “Ich glaube auch daran. Ich habe sie selbst gesehen. Vor gar nicht allzu langer Zeit.”
    “Tatsächlich?”, fragte Nan und wirkte ein bisschen enttäuscht. “Warum hast du mir nichts davon erzählt?”
    “Weil ich nicht wollte, dass du denkst, deine Mutter würde allmählich ihren Verstand verlieren.”
    “Und wie hat sie ausgesehen, als du sie gesehen hast?”
    “Genauso, wie du sie eben beschrieben hast. Nur, dass sie nicht an meinem Bett stand. Sie war dort”, erklärte sie und zeigte zum Fenster. “Da hat sie gestanden und mich angeschaut.”
    Nan blickte über ihre Schulter zum Fenster. “Das ist ein bisschen unheimlich, findest du nicht? Einen Geist zu sehen, meine ich. Hattest du Angst?”
    “Angst? Himmel, nein. Ich war vielleicht ein bisschen nervös, vor allem in den ersten Nächten danach. Ich gestehe, dass ich es herausgezögert habe, das Licht zu löschen. Aber seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen. Beatrice spukt seit dreihundert Jahren in diesem Haus. Ich glaube, wenn sie uns etwas hätte antun wollen, hätte sie das längst getan. Nein”, sagte sie und ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen. “Ich glaube eher, dass sie über uns wacht, Nan. Oder vielleicht will sie uns etwas mitteilen.”
    Nan runzelte die Stirn und zog das Tuch fester um ihre Schultern.
    “Du weißt doch, dass Nona sich immer geweigert hat, hier im Haus zu übernachten”, erzählte Mama June. “Sie hat Beatrice ein paarmal gesehen. Und ihre Mutter ebenfalls.”
    Nan sah auf, und ihre Augen funkelten. “Und, hat sie ihnen auch etwas mitgebracht?”
    Mama June starrte sie überrascht an. “Mitgebracht?”
    Nan nickte und öffnete ihre Hand. Darin lag eine antike Brosche. Das satte Rotgold hob sich von ihrer Handfläche ab.
    “Wo hast du denn das her?”
    “Das habe ich am Fußende meines Bettes gefunden. Als ich das Licht angemacht habe, war der Geist verschwunden,

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