Sweetgrass - das Herz der Erde
erstarrte er. Er hatte es. Ein großer brauner Ordner mit der Aufschrift “Adele”.
Der Schweiß machte seine staubigen Finger schmierig, also wischte er sich die Hände an den Hosen ab, bevor er weitermachte. Er atmete tief durch. Behutsam griff er nach dem Ordner. Wie all die anderen war auch dieser fleckig und gab vor Feuchtigkeit nach. Er schlug ihn auf, und mehrere offiziell aussehende Unterlagen fielen heraus. Aufgeregt fuhr er sich mit der Zunge über seine trockenen Lippen und begann zu lesen. Zuerst überflog er die Papiere schnell, doch dann las er sie immer und immer wieder, um nicht etwas Wichtiges zu übersehen. Das Adrenalin pulsierte durch seinen Körper.
Als er alles gelesen hatte, lehnte er sich gegen die staubigen Kisten und streckte seine langen Beine von sich. Seine Gedanken drifteten ab, und er schaute über sein dreckiges T-Shirt und auf seine Khakishorts. Er hatte eine alte Hose einfach abgeschnitten, und der Saum war zerrissen und ausgefranst. An den weichen Haaren seiner Beine hingen kleine Staubflusen.
Er blickte wieder auf die Papiere in seiner Hand. Ganz langsam drang ein Grinsen durch die Staubschicht auf seinem Gesicht und breitete sich aus, bis es vom einen Ohr zum anderen reichte. Er fühlte sich freudetrunken, und aus seiner Kehle drang ein kleines Glucksen. Er schaute sich um, um sicher zu sein, dass ihn niemand hören konnte. Und dann brach das Lachen tief aus ihm heraus.
Tja, Tante Adele, jetzt haben wir dich am Wickel
.
Er lachte noch einmal, und, als wollte er einen Toast ausbringen, griff er nach seinem Tee. Doch seine Hand war so verschwitzt, dass ihm das Glas aus der Hand glitt und der Tee über den kleinen Koffer lief, auf dem er gestanden hatte. Mit einem kurzen Fluchen steckte Morgan die Vertragspapiere zurück in den Ordner und brachte ihn in Sicherheit. Dann griff er nach dem Handtuch, mit dem er sich den Schweiß abgetrocknet hatte, und wischte den Tee auf. Die dunkle Flüssigkeit lief über die Lederbänder des Koffers, und er befürchtete, dass sie in den Koffer tropfen und Schaden anrichten könnte.
Der Koffer war nicht verschlossen. Er hob den Deckel an und bemerkte sofort den Geruch von Mottenkugeln und Zedernholz. Es war das zierliche Köfferchen eines jungen Mädchens und mit Stoff mit Blumenmuster ausgeschlagen. Jemand hatte sich Mühe gegeben, damit das Köfferchen erhalten blieb. Es schien voller Erinnerungen an die Vergangenheit zu sein. Morgan sah genauer hin und entdeckte den Gipsabdruck von seiner Hand, den er als kleiner Junge für seine Mutter angefertigt hatte. Erfreut hob er ihn auf und betrachtete ihn. War ich einmal so klein?, überlegte er. Auch den Abdruck seiner Schwester fand er und, etwas größer, den seines Bruders. Seine Hand neben Hamlins rundlichem Abdruck ließ den seines Bruders klein aussehen.
Neugierig geworden, schaute er die kleine Sammlung von allen möglichen Dingen durch, von denen das meiste mit ihm und seiner Familie zu tun hatte. Er hatte nicht gewusst, dass seine Mutter all diese Dinge aufhob. Er wusste, dass sie ein weiches Herz hatte und nostalgisch war, doch als er drei kleine Döschen entdeckte, die Löckchen von ihm und seinen Geschwistern enthielten, zeigte ihm das,
wie
tief die Liebe seiner Mutter zu ihnen war.
Er lächelte, als er einige der Karten las, die sie für ihre Mutter zum Muttertag und zum Geburtstag gebastelt hatten. Und er war erstaunt, dass er sich an ein paar der Karten sogar noch erinnern konnte!
Es waren nur wenige Fotos, nur ein paar ausgewählte Bilder, die ihren Weg in diese Schatztruhe gefunden hatten. Zuerst fand er ein Foto von sich, Hamlin und Nan, die wie kleine Äffchen am Ast hingen, während Mama June auf der runden Bank darunter saß. Ihre Füße waren unter ihrem Rock versteckt, um den Hals trug sie einen Schal, und sie strahlte. Morgan konnte sich erinnern, wie viel sie in dieser Zeit gelacht hatte.
Da waren noch mehr Fotos – die Kinder in der Schule oder im Faschingskostüm oder mit dem Weihnachtsmann. Eines zeigte Mama June und Daddy. Sein Vater sah so jung aus mit seiner gebräunten Haut und seinem neckischen Grinsen. Sein gewelltes Haar, das Morgans so ähnlich war, wollte sich nicht bändigen und zurückkämmen lassen, wie es damals üblich war, und eine Locke hing ihm verwegen in die Stirn. Seinen Arm hatte er besitzergreifend um Mama June gelegt, und beide lächelten in die Kamera.
Auf einem Foto erkannte er seine Blakely-Großeltern, obwohl sie schon vor seiner Geburt
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